Wir Ertrunkenen
Mahlzeiten schweigend ein. Ihr hübscher Sohn hatte die Augen, aber sonst nichts von ihr.
In diesem Herbst kaufte Klara den Witwen die fünf Dampfer Enigheden, Energi, Fremtiden, Maalet und Dynamik ab.
Der Kauf überraschte uns. Ihre Handlungsweise zeugte von Entschlossenheit und Willenskraft; es war eine Investition in einer Größenordnung, von der wir nie vermutet hätten, dass sie das Kapital dazu besaß. Wie groß ihr Vermögen tatsächlich war, wussten wir nicht, aber es musste sich um mehrere Millionen handeln. Eine ganze Weile sprachen wir von nichts anderem. Sie war von etwas Rätselhaftem umgeben, das vorher nicht existiert hatte. Wir begriffen, dass sie auf irgendetwas aus war, wir wussten nur nicht, auf was.
Die Witwen hatten nie einen Nachfolger für Isaksen gefunden. Es gab mehrere Bewerber für die Position als Geschäftsführer, aber niemand erwies sich als wirklich geeignet, und die Kapitäne der Reederei schüttelten den Kopf. Die Gerüchte über die Hintergründe von Isaksens Kündigung hatten sich herumgesprochen. Schließlich blieben qualifizierte Bewerber aus, und die Reederei lag praktisch still.
Doch eines Tages würde möglicherweise ein Mann erscheinen, der die notwendige Kraft aufbrachte, sich gegen die Witwen durchzusetzen und den Schlingerkurs zu beenden. Dann würde die Stadt wieder erblühen. Und dieses Risiko wollte Klara Friis nicht eingehen.
«Aber meine Liebe, das solltest du nicht tun», meinte Ellen, als Klara nach langen Beratungen mit Markussen ihr Angebot unterbreitete. Es hatte den Anschein, als wäre Ellen der Ansicht, dass Klara sich nur für die Vanillekringel revanchieren wolle, die ihr so oft mit dem Kaffee serviert worden waren.
«Na, das fehlte ja gerade noch», erwiderte Klara, und es klang, als wäre die enorme Kaufsumme tatsächlich ein Zeichen von Hilfsbereitschaft. Sie hörte das Wahnsinnige in der Art, wie sie sich unterhielten. Die Witwen möglicherweise auch. Jedenfalls wurde Ellen ungewöhnlich blass, und bei Emma und Johanne zeichneten sich rote Flecken auf den Wangen ab. Sie schauten sich verstohlen an, und Klara wusste, dass die übliche Unentschlossenheit ihre Zustimmung befördern würde.
Sie nutzte die Witwen nicht aus und bezahlte weder zu viel noch zu wenig für die Dampfer, wenn man die ungünstige Situation auf dem Weltmarkt in Betracht zog. Sie war nicht auf Profit aus.
Klara erwarb die Dampfer wegen der Seeschrunden. Der Anblick der Narben, die Risse und Salzwasserbeulen an Knud Eriks armen Fingern, an seinen Handgelenken und am Hals hinterlassen hatten, empörte sie.
Sie hatte an afrikanische Sklaven denken müssen, die in Ketten quer über den großen Kontinent geschleppt wurden, bevor man sie auf Schiffe verlud und später verkaufte. Solche Narben mussten sie dort gehabt haben, wo das Eisen an der nackten, ungeschützten Haut scheuerte. Und genau darum ging es. Sie wollte die Sklaven befreien. Sie wollte Knud Erik von den Ketten befreien, die eine verrückte und missverstandene Männlichkeit ihm angelegt hatte. Kaum waren die Seeleute erschöpft von ihrer ewigen Schlacht gegen das Meer heimgekehrt, standen sie wieder auf und baten um mehr, als könnten sie nicht genug bekommen von den Peitschenhieben, die von allen Seiten auf sie niederprasselten: Sturm, Wellen, Kälte, miserables Essen, elende Hygiene, ein rauer Umgangston und Gewalt, die stets an den Schwächsten ausgelassen wurde. Es musste ein Ende haben.
Ein paar Tage später teilte Knud Erik ihr mit, dass er eine neue Heuer gefunden habe.
Den Seesack und die Schiffskiste wollte er selbst packen.
Die Kristina war ein Bramsegelschoner von einhundertfünfzig Bruttoregistertonnen, Theodor Bager, der Kapitän, ein hagerer Mann mit einem ängstlichen, eingefallenen Gesicht, dem weder Sonne noch Wind zugesetzt hatte. Sommers wie winters blieb er gleichermaßen blass, egal, ob er sich in südlichen oder nördlichen Breitengraden aufhielt. Es hieß über ihn, dass sein Herz nicht mehr so recht wollte und er eigentlich längst hätte an Land gehen sollen, aber er war zu sparsam, um diesen Entschluss zu fassen.
Bager hatte in seinem Leben eine große Leidenschaft, seine achtzehnjährige Tochter Kristina, nach der das Schiff benannt war.
Die Besatzung bestand aus fünf Männern.
Knud Erik war fünfzehn Jahre alt und hielt sich für voll befahren, weil er aus der Kombüse aufrückte und als Jungmann auf Deck kam. Die Kompassstriche kannte er längst. Einen Augspleiß und einen
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