Wir Ertrunkenen
Kurzspleiß beherrschte er ebenfalls; auch konnte er ein Takling nähen, über Stag gehen, halsen und die Kuhwende fahren.
In der Kombüse saß nun ein blasser kleiner Junge und achtete auf das Feuer im Ofen, während er grün im Gesicht mit der Seekrankheit kämpfte. Vierzehn Jahre alt war er, so wie Knud Erik vor einer Ewigkeit. Es war Helmer, der Wasserscheue, der einmal am Fockstag gehangen und die Schmack seines Großvaters zum Kentern gebracht hatte. Der Steuermann der Kristina, ein älterer Mann namens Hermod Dreymann stammte auch aus Marstal.
Die beiden Matrosen, Rikard und Algot, waren Seemänner auf großer Fahrt aus Kopenhagen. Sie kamen aus Familien, in denen es keine Tradition gab, zur See zu gehen. Knud Erik sah es an ihrer Ausrüstung. Schiffskisten und Bettzeug hatten sie nicht. Außer dem unentbehrlichen Segelsack mit dem Kuhhorn für Fett und Segelnadeln, einem Marlspieker, einer Ahle und einem Segelhandschuh besaßen sie nichts anderes als einen Seesack mit einer Decke und eine Zigarrenkiste mit Rasierzeug. Ihre Kleidung für den Landgang sah aus wie ihr Arbeitszeug, ein paar blaue Kattunhosen und ein Wollpullover in der gleichen Farbe. Rikard hatte sich auf den rechten Arm eine nackte Meerjungfrau mit dem Dannebrog in der Hand tätowieren lassen. Ihre Zigaretten rauchten beide in Pfeifen mit einem flachen Kopf – so konnten sie die Pfeife abstellen, wenn kein Aschenbecher in der Nähe war.
Die Grundstimmung auf der Kristina war weitaus angenehmer als auf der Activ, doch noch immer spürte Knud Erik seinen alten Plagegeist. Wenn er in den Nachtstunden allein am Ruder gegen die Müdigkeit kämpfte, während die hohe, eisige Dünung sich über dem Schiff auftürmte, dachte er stets an Pinnerup. Im Geheul des Windes hörte er sein Fluchen. Er sah sein Gesicht in den aufgepeitschten weißen Schaumkronen der Wellen. Er fühlte, wie seine unbarmherzige Hand sich auf die Salzwasserbeulen presste, wenn die Müdigkeit ihn in ihren Würgegriff nahm, und er wusste mit einem Gefühl des Triumphs, dass er ihn besiegt hatte. Noch immer konnte er in kindlichem Trotz das Meer hassen, aber er spürte keine Angst mehr vor ihm.
Er hatte den Steuermann klein werden sehen. Er hatte am Kai des Frederiksholms-Kanals gesessen, in gespielter Lässigkeit mit den Beinen gebaumelt und nicht richtig gewusst, was er gerade gelernt hatte, als er den Steuermann beim Zusammenstoß mit den Hafenarbeitern einlenken
sah. Nun war es ihm klar. Es gab Dinge, die konnte man nur auf die harte Tour lernen, aber es gab keinen Grund, irgendjemanden zu demütigen, nur weil er neu und unerfahren war. Der Erfahrene konnte dem Unerfahrenen auch die Hand reichen. Und so half er Helmer in der Kombüse, wenn er vor Müdigkeit und Seekrankheit aufgeben wollte.
«Sieh mal», sagte er zu Helmer, «dein Brot ist viel zu klebrig, die Leute beschweren sich ständig darüber. Das Problem ist das Aufgehen. Die gekaufte Hefe taugt nichts.»
Er nahm ein paar große Kartoffeln und forderte Helmer auf, sie zu schälen und hinterher in kleine Stücke zu schneiden.
«Hol mir mal eine Flasche», fuhr er mit seinen Ratschlägen fort.
Die Kartoffelstücke kamen in die Flasche, bis sie drei viertel voll war, dann wurde Wasser aufgegossen. Knud Erik drückte einen Korkpfropfen auf die Flasche und befestigte ihn sorgfältig mit Segelgarn.
«Jetzt musst du die Flasche an einen warmen Ort stellen, dann hast du in ein paar Tagen Hefe. Du kannst sie dann durch ein Sieb in den Teig streichen. Aber pass auf! Die Flasche darf nicht zu lange stehen, sonst riskierst du, dass der Korken mit einem ordentlichen Knall das Segelgarn sprengt.»
Helmer starrte ihn an, als hätte er ihn gerade in ein Zauberkunststück eingeweiht.
So ist es, erwachsen zu sein, dachte Knud Erik. Dann erhält man solche Blicke.
Die Kristina fuhr regelmäßig auf der Neufundlandroute. Davon hatte Knud Erik nicht gerade geträumt. Aber es gab die Heuer, und so wurde die Reise über den kalten Nordatlantik zu einer weiteren Probe seiner Männlichkeit. Mit Holz segelten sie von Oskarshamn in Schweden nach Ørebakke auf Island. Sie brauchten zweiundzwanzig Tage bis dorthin. Unterwegs kam die Seekrankheit wieder und schlug eine Scharte in sein Gefühl, voll befahren zu sein. Das Löschen der Ladung dauerte vierzehn Tage.
Mit Ballast aus schwarzem Strandsand segelte die Kristina weiter nach Little Bay in Neufundland. Das war im November. Nach einer Woche auf See gerieten sie in dichten
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