Wir Ertrunkenen

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Autoren: Carsten Jensen

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und rasend vor Wut. Er ballte die Fäuste wie zu einer Schlägerei und hätte doch am liebsten jemanden umarmt oder sich umarmen lassen.
    Die Kristina kreuzte gegen den Südwind, der wie gewöhnlich an der Küste Portugals wehte. Hatte Ivar Wache, saß Fräulein Kristina neben ihm am Ruder. Herman trat auf die beiden zu, steif und abweisend, ganz in der Rolle des Steuermanns.
    «Der Rudergänger hat nicht gestört zu werden», sagte er barsch und blieb mit den Händen auf dem Rücken stehen, bis sie aufstand und ging.
    Ja, sie hatte sich zu fügen. Aber er wusste nicht, ob es ein Sieg oder eine Niederlage war. Er kam nicht näher an Fräulein Kristina heran. Er hielt sie und Ivar für ein «Paar». Und offenbar wurden sie es tatsächlich gerade.

    Eines Nachmittags unterbrach eine Gruppe Delphine die Eintönigkeit.
    «Tümmler!», rief der Rudergänger.
    Die Besatzung machte die Harpunen klar. Ivar führte sie an. Er sprang auf den Bugspriet und stieß die Harpune in dem Moment ins Wasser, in dem das Schiff eintauchte und der Abstand zu den springenden Tieren am kürzesten war. Der Delphin wand sich, als Ivar die Leine einzog. Dann kam Knud Erik zu Hilfe und band ein Tau um seinen Schwanz.
    Herman verschwand in der Kajüte und suchte irgendetwas in seiner Koje. Er kam mit einem Revolver in der Hand zurück an Deck. Die Besatzung stand in einem Kreis um den Delphin, dessen glatter, geschmeidiger Körper in Krämpfen zuckte, während er mit seinem kräftigen Schwanz auf das Deck einschlug. Blut floss in einem breiten Strom über die Deckplanken. Fräulein Kristina stand ein Stück weit entfernt, die Hände vor dem Mund. Irgendjemand musste dem zuckenden Tier endlich den Todesstoß versetzen und es erlösen.
    «Aus dem Weg!», rief Herman.
    Sie drehten sich um und starrten ihn an. Er beschrieb mit dem Revolver einen Kreis, der alle Männer einbezog, als hätte er noch nicht entschieden, wen er als Ziel auswählte. Sie traten einen Schritt zurück. Er ging auf den Delphin zu und zielte sorgfältig, bevor er zweimal abdrückte. Das große Auge explodierte vor Blut. Der Delphin schlug noch einmal mit dem Schwanz, dann lag er still da.
    Herman schaute auf und bemerkte, dass Fräulein Kristina ganz dicht bei Ivar stand. Sie starrten ihn beide an, er lächelte sie an. Dann steckte er den Revolver in den Gürtel und ging zurück in seine Kajüte.
    Er setzte sich auf den Kojenrand. Er lächelte noch immer. Es war ein vollkommen reiner Moment gewesen. Niemand hatte gewusst, das er einen Revolver besaß. Er hatte sie überrascht, als er damit auftauchte, und er hatte die Furcht in ihren Augen gesehen. Erst hatten alle den Delphin angestarrt, dann ihn. Er verfügte über die Kontrolle. So sollte es sein.

    Eines frühen Morgens legte sich der Wind. Sie kamen nur langsam voran. Gegen Mittag sahen sie Setubal voraus. Große, weiße Villen thronten auf den Gipfeln steiler Felsen, und eine üppig grüne Vegetation hing wie ein Schleier über den Abhängen. Als die Segel geborgen waren,
machte Fräulein Kristina ihre Runde auf Deck und bot jedem der Männer ein Glas Wein an. Es war ein alter Brauch.
    Sie warf Ivar einen langen Blick zu. Als sie bei Herman anlangte, wandte sie ihr Gesicht halb ab, als könnte sie es nicht erwarten, zum Nächsten in der Runde zu kommen.

    Im Hafen lag bereits ein Schoner aus Marstal, und in den folgenden Tagen kamen noch weitere dazu; bald war es eine ganze Gruppe: die Ørnen, die Galathea und die Atlantic, alles Veteranen der Neufundlandroute. Sie kamen hierher, um für Neufundland zu laden, danach würden sie einmal mehr mit dem Laderaum voller Klippfisch über den Atlantik kreuzen.
    Fisch gab es hier im Übrigen genug. Der Hafen wimmelte von Sardinen, die in diesen Breiten so groß wie Heringe wurden. Die Fischer standen mit nacktem Oberkörper in der Sonne. Sie hatten schlanke, sehnige Körper, unter deren sonnengebräunter Haut sich deutlich die Muskeln abzeichneten. Sie riefen und winkten. Als sie Fräulein Kristina erblickten, blitzten ihre weißen Zähne unter den schwarzen Schnurrbärten. Sie winkte zurück, und die Fischer hoben große Körbe voller glänzender Fische, als wollten sie einen begeisterten Tribut an das weibliche Geschlecht zollen, dessen Auftauchen an Bord eines Schiffs so ungewöhnlich war.
    Bager wurde zum Proviantfassen an Land gerudert, doch er kam unverrichteter Dinge zurück. Es gab weder Kartoffeln noch Brot. Setubal war blockiert durch Streiks, oder waren es