Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
Freiheit waren, und hätte sich gewünscht, dass noch mehr Bewohner des Heims es so gut haben könnten. Auch wenn man sagen konnte, dass etwas nicht stimmte, wenn man erst kriminell werden musste, um im Herbst des Lebens noch auf den Putz zu hauen.
Wieder erklang Anna-Gretas Lachen, und jetzt hatte der Mann eine Hand auf ihre Schulter gelegt. Ach du liebe Zeit, es sah aus, als wolle er sie auffordern … Ja, er drehte sich um, hakte Anna-Greta ein und führte sie zur Tanzfläche. Und da konnte Märtha sehen, dass Anna-Greta ganz offenbar den Richtigen gefunden hatte: Der Mann trug ein Hörgerät. Vermutlich hatte er es ausgeschaltet.
Die Musik erklang, und gerade als Märtha begann, darüber nachzudenken, ob sie sich trauen sollte zu tanzen, kam Snille auf sie zu. Weil sie ihn gerne umarmt hätte, hoffte sie, dass er sie auffordern würde zu tanzen. Aber kaum war er mit ihr auf der Tanzfläche angekommen, da beugte er sich zu ihr und flüsterte.
»Schwester Barbro ist hier. Was machen wir nun?!«
28
An den folgenden Tagen, nachdem die fünf Alten verschwunden waren, nahm das Gerede im Haus kein Ende. Wohin waren die Chorsänger unterwegs? Niemand hatte die fünf gesehen, und Katjas Versuche, Schwester Barbro auf dem Handy zu erreichen, blieben ohne Erfolg. Auch die Polizei konnte ihr nicht helfen. Kommissar Lönnberg sagte auch dieses Mal wieder, dass sie leider nichts tun könnten.
»Meine Liebe, das geht über die Zuständigkeit der Polizei hinaus«, hatte er erklärt. »Wenn die Alten auf eigene Faust losspazieren wollen, dann dürfen sie das. Da können wir uns nicht einmischen. Aber wissen Sie, die sind doch nicht allein. Sie müssen sich keine ernsthaften Sorgen machen.«
»Aber ich mache mir Sorgen«, entfuhr es ihr.
»Gesetz ist Gesetz«, erklärte er, und schließlich beendete Katja das Gespräch. Es war reine Zeitverschwendung, mit ihm zu reden, aber was konnte man machen? Sie wagte nicht, einen Gedanken daran zu verschwenden, was geschah, wenn Schwester Barbro entdeckte, was passiert war. Katja stellte den Kaffeebecher hin und ging still in den Gemeinschaftsraum. Wie immer war es dort ganz ruhig. Der Fernseher in der Ecke lief, doch der Ton war ausgeschaltet, und die zwei Männer, die immer Schach spielten, waren eingenickt. Eine ältere Dame las, und ihre Freundin saß daneben und sah aus dem Fenster. Es war nicht nur still, es war trist. Sie wollte sich gerade umziehen, um nach Hause zu gehen, da ging die Tür auf und einer der alten Leute rief: »Sie haben Besuch.«
»Besuch?« Katja hatte keinen Termin vereinbart.
»Da ist jemand und fragt nach Schwester Barbro, und Sie sind doch die Vertretung.«
Katja nickte, zog ihren Rock zurecht und ging hinüber in das Besuchszimmer. Da saß ein Mann mittleren Alters mit kurzem Haarschnitt und Bart. Er trug einen Ohrring, eine Lederjacke und hatte Tätowierungen an den Handgelenken. Als sie hereinkam, stand er auf.
»Ich bin Nisse Engström und wollte meinen Vater besuchen.«
»Ihren Vater …?«
»Ja, Bertil Engström, Kratze, Sie kennen ihn.«
»Ach so, ja. Kann ich ihm etwas ausrichten?«
»Nein, nein, ich wollte zu ihm.«
»Sein Zimmer ist dort drüben, allerdings …«
»Ich habe ihm versprochen, jedes Mal, wenn wir hier im Hafen anlegen, einen Besuch zu machen, und dieses Versprechen halte ich.«
Bevor sie ihn zurückhalten konnte, war er bereits auf dem Weg zu Kratzes Zimmer. Sie flitzte hinterher, doch konnte sie ihn nicht davon abhalten, die Tür zu öffnen.
»Was zum Teufel – wo IST er?«
»Ich weiß es nicht, aber …«
»Sie wissen nicht, wo er ist? Verflucht, was machen Sie hier mit den Leuten?«
Katja wurde rot.
»Kratze und die vier anderen vom Chor sind unterwegs und singen irgendwo.«
»Ach, so meinen Sie das«, sagte der Mann deutlich ruhiger und sank auf einen Stuhl. »Wie ärgerlich, dass ich ihn verpasst habe. Ich bin so selten hier, man kommt nicht jedes Mal an Land.«
»Fahren Sie auch zur See?«
»Ja, wie Vater. Wir haben in Göteborg gewohnt. Vom Hügel aus sah man den Fluss und alle Schiffe, die am Kai lagen. Vater hat mir immer von seinen Fahrten erzählt und mich ins Schifffahrtsmuseum mitgenommen.«
Katja setzte sich neben ihn auf den Stuhl. Kratzes Sohn sah ziemlich wild aus, aber er schien ein netter Kerl zu sein.
»Und Ihre Mutter?«
»Ach, die beiden waren nicht lange verheiratet. Vater war immer hinter den Frauen her. Es war schade um sie, sie hätte etwas Besseres verdient. Sie hat nie wieder
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