Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
machte man, um Zeit zu gewinnen. Und waren sie sich nicht einig gewesen, dass sie noch ein bisschen Spaß haben wollten, bevor sie ins Gefängnis wanderten?
Als sie später in der Schlange für die Kabinenschlüssel auf der Silja Serenade standen, amüsierten sich die fünf mit Witzen über Raub und Diebstahl. Die Passagiere neben ihnen lächelten die sorglosen Alten wohlmeinend an. War es etwa doch nicht so schlimm, alt zu werden? Als Märtha und die anderen ihre Plastikkarten erhalten hatten, gingen sie nicht auf direktem Wege zu ihren Kabinen. Sie schoben ihre schwarzen Einkaufswagen in den Fahrstuhl und fuhren hinunter aufs Autodeck. Zwischen LKWs, Fernlastzügen und Personenwagen konnten sie sich längs des Fährschiffes in Richtung Rampe frei bewegen. Niemand nahm Notiz von ihnen. Auf dem Weg inspizierten sie jeden Verschlag und Winkel auf der Suche nach einem guten Platz für die Einkaufstrolleys. Es war feucht, hier und da traten sie in Pfützen, und es stank nach Diesel, doch das machte ihnen nichts aus. Sie waren ganz in ihre Aufgabe vertieft. Kurz vor der Rampe entdeckten sie einen Verschlag für Stiefel und Regenkleidung. Auf dem Boden befanden sich eine Holzkiste und zwei Seesäcke.
»Hier!«, rief Märtha triumphierend. Also schoben sie die schwarzen Einkaufstrolleys vorsichtig zwischen die Regensachen. Sicherheitshalber warfen sie einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass sie niemand gesehen hatte. Dann machten sie sich aus dem Staub. Sicher würden sie das Geld frühestens auf der Heimfahrt nach Stockholm bekommen, doch sie wollten schon jetzt testen, ob die Einkaufstrolleys dort stehen blieben, oder ob die Polizei ihnen eine Falle gestellt hatte.
Die Morgensonne fiel in die Prinzessin-Lilian-Suite und verlieh dem Flügel und dem grauen Teppich neuen Glanz. Das junge Zimmermädchen Petra Strand drückte die Kissen auf dem Sofa zurecht und sah aus dem Fenster. Sie hatte Staub gesaugt und die Badezimmer geputzt und war mit dem Staubwedel über alle Möbel gegangen. Nun richtete sie sich auf und fuhr mit den Händen durch ihr rotes, frisch gewaschenes Haar. Mit dem Putzen war sie fertig, jetzt kam der angenehme Teil. Sie sollte eine Inventarliste der Dekoration in den verschiedenen Räumen erstellen und Vorschläge zur Verbesserung machen. Zwar war sie als Reinigungskraft angestellt, doch als die Direktion erfahren hatte, dass sie eigentlich Kunst studierte, war man an ihrer Beurteilung der Farben und Interieure interessiert. Zwar waren die meisten Gäste im Grand Hotel ältere Semester, doch als ein Nebeneffekt der Internetrevolution stiegen mittlerweile auch viele jüngere Millionäre hier ab. Dem wollte die Direktion entsprechen, indem sie ein bisschen modernisierte, damit sich ihre neue Klientel ebenso wohl fühlte.
Sie warf einen Blick auf das von der Sonne beschienene Schloss, legte das Staubtuch auf den Putzwagen und drehte noch eine Runde durch die Suite. Während sie sich die Deko, die Teppiche und die Textilien genauer ansah, überlegte sie, was man verschönern könnte. Die Suite war in Weiß, Grau und Schwarz gehalten, und der dicke Teppichboden mit dem silbrigen Farbglanz gefiel ihr. Die türkis geblümten Tagesdecken und das Grau passten zu der großartigen Aussicht, und selbst die Räume, die in etwas helleren Farben eingerichtet waren, erschienen ihr äußerst stilvoll. Aber ein i-Tüpfelchen fehlte noch, sie musste die 330 Quadratmeter der Suite noch einmal unter die Lupe nehmen. Vielleicht wären ein paar neue Bilder die Lösung?
Ihr erster Eindruck war, dass die Kunstwerke, die hier hingen, zu fade aussahen, ihr hätten Bilder in knalligen Farben besser gefallen. Ein großes Bild mit einem Segelboot war über dem Bett in einem der Schlafzimmer aufgehängt, ein Kupferstich hing im Flur zur Küche und zwei kleinere Stillleben schmückten die Wände in der Bibliothek. Vor den zwei Ölgemälden über dem Flügel blieb sie stehen. Petra fand sie ganz passabel, mehr aber auch nicht. Auf dem einen sah man Fischerboote und kleine Kutter an einer Flussmündung, das andere war ein Motiv aus Paris, ein Mann und eine Frau in einem Café. Auf dem Gemälde mit der Flussmündung waren Braun und ein dreckiger Grauton die dominierenden Farben, und zudem waren es viel zu viele Boote im Verhältnis zur Wasseroberfläche. Beim Parisbild war es nicht viel besser. Die Frau im Café war schräg von hinten dargestellt und trug eine dunkle Kopfbedeckung, und der Mann sah mit
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