Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
das Lösegeld auf einer der Finnlandfähren verschwunden sei. Es soll über Bord gegangen sein. Ich glaube kein einziges Wort.«
»Nein, sie haben die Knete bestimmt versteckt. Mama hat ihren Teil von der Beute irgendwo, da kannst du Gift drauf nehmen.«
»Dabei denkst du doch wohl nicht zufällig an unser Erbe?«
»Doch, natürlich. Sie könnte doch etwas davon abgeben. Ein paar Millionen sind futsch – jedenfalls wenn man glaubt, was in der Zeitung steht.«
»Mutter wird mindestens zwei Jahre sitzen«, fuhr Anders fort und zeigte auf den Infoteil im Aftonbladet. »Weißt du was, wir besuchen sie im Gefängnis und fragen sie, wo das Geld ist. Und bitten sie, uns unser Erbe vorzeitig auszuzahlen.«
»Aber Anders, eine Sache ist merkwürdig. Warum haben sie sich selbst angezeigt? Niemand hat sie verdächtigt. Erst gelingt ihnen das perfekte Verbrechen, und dann gehen sie zur Wache und geben alles zu. Das klingt, als wollten sie hinter Gittern landen.«
»Sind Sie hier nicht gut zu den alten Leuten?«, fragte Anders, als Barbro zurück war. »Es geht doch wohl niemand freiwillig ins Gefängnis?«
»Die Damen und Herren können schon sehr eigen sein«, antwortete sie abwiegelnd. »Man steckt da nicht drin. Möchten Sie einen Kaffee? Wir haben hier einen Automaten.«
»Ja, gern«, sagte Emma.
»Haben Sie eine Fünfkronenmünze?« Schwester Barbro hielt die Hand auf.
Emma und Anders legten brav ihr Geld hinein. Während Schwester Barbro den Kaffee holte, lasen sie weiter in der Tagespresse. Sie fanden noch mehr Berichte über den Raub.
»Ich bekomme ein ganz schlechtes Gewissen, vielleicht hätten wir Mama häufiger besuchen sollen«, sagte Emma nach einer Weile und legte die Dagens Nyheter wieder hin.
»Ja, dann wäre das vielleicht alles nicht passiert«, stimmte Anders ihr zu, wurde aber abgelenkt, als Schwester Barbro mit dem Kaffee kam. »Haben Sie vielleicht Zimtschnecken? Wir haben noch gar nichts gegessen.«
»Tut mir leid …«
»Oder Gebäck?«
»Nein, leider nicht …«
Emma sah auf den Zeitungsstapel auf dem Sofa. Daneben lagen zwei Ausgaben der Expressen von gestern. Sie stellte ihren Kaffeebecher ab und nahm eine in die Hand.
»Die Ausgabe von gestern konnten wir leider nicht mehr kaufen. Dürfen wir vielleicht diese hier mitnehmen?«
»Tut mir leid, die gehört dem Haus«, antwortete Schwester Barbro. Da musste Anders lachen.
»Komm Emma, wir gehen.« Er stand auf und ging zur Tür.
»Wegen des Zimmers sollten wir uns noch verständigen«, sagte Schwester Barbro.
»Bis auf weiteres behalten wir es. Mutter ist noch nicht verurteilt, und solange sie nicht hier ist, sparen Sie ja auch ihren Kaffee.«
Schwester Barbro zuckte. Da hatte sie zu Stinas Kindern Kontakt gesucht, um die Situation gemeinsam besser zu bewältigen, und nun behandelte man sie so. Vielleicht hätte der Kaffee wirklich aufs Haus gehen sollen.
»Gut, dann machen wir es so, aber eine Sache hätte ich noch …« Barbro zupfte an ihren Fingern und wusste nicht, wie sie anfangen sollte.
»Na ja, wegen unseres Gesprächs. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn das unter uns bleiben könnte. Ich möchte natürlich vermeiden, dass das Haus Diamant in Verbindung mit Kriminalität gebracht wird.«
»Sie möchten also nicht, dass bekannt wird, dass unsere Mutter hier gewohnt hat?«
Schwester Barbro nickte und stand auf.
»Wissen Sie, was ich glaube?«, sagte Anders. »Wenn sich meine Mutter und ihre Freunde bei Ihnen wohl gefühlt hätten, wäre das nicht passiert. Darüber sollten Sie mal nachdenken.«
Sie gingen zum Ausgang, und als sie in der Tür standen, drehte Emma sich noch einmal um.
»Im Übrigen, an Ihrer Stelle würde ich mich gut um die restlichen Bewohner kümmern, damit die nicht auch noch weglaufen«, sagte sie. Dann marschierten die Geschwister durch die Tür.
Unten am Eingang blieben sie stehen. Anders musste zur Arbeit, und Emma wollte noch einkaufen, bevor sie nach Hause fuhr. Seit sie schwanger war, arbeitete sie nur noch halbtags.
»Mama hat es hier sicher nicht leicht gehabt, nachdem sie ihr ganzes Leben in einer schönen Wohnung in Östermalm verbracht hat. Wirklich beeindruckend, dass sie abgehauen ist«, sagte Emma.
»Ja, das ist krass. Sie, die so unter dem Pantoffel stand. Als sie noch mit Papa zusammen war, traute sie sich nie aufzumucken. Da war die Arme nur für nette Einladungen zum Essen zuständig und sollte vorzeigbar sein. Das war ja kein Leben. Dass sie sich getrennt haben, war ein
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