Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
Glück, und jetzt … jetzt ist sie davongelaufen! «
»Endlich hat sie sich getraut. Früher wollte sie immer allen alles recht machen. Sie gehört ja noch zu der Generation von Frauen, die an Gott glauben, die Hauswirtschaftsschule besuchten und sich um Ehemann und Kinder kümmern sollten. Dass Papa nicht gemerkt hat, wie schlecht es ihr ging …«
»Nein, er hat nur an sich gedacht. Aber jetzt holt sie alles nach.«
»Weißt du was? Langsam gefällt mir die Geschichte.« Anders steckte die Hände in die Hosentaschen.
»Bei Mama muss ich an eine Metallfeder in einer alten Matratze denken. Eine, die lange zusammengedrückt war, dann aufspringt und sich nie wieder so zusammenpressen lässt.« Emma musste kichern.
»Aber dass sie kriminell wird, dass hätte ich mir nicht träumen lassen. Hast du es gelesen? Einer der größten Kunstdiebstähle in ganz Schweden! Da kann man vor Mutter nur den Hut ziehen. Sie hat etwas unternommen, um ihr Leben zu verändern, während ich aus meinem Trott im Arbeitsamt nicht herauskomme. Egal, wie viel ich arbeite, es geht mir trotzdem immer schlechter.«
»Das ist bei allen so«, bestätigte Emma.
»Ja, aber mein Gehalt reicht jetzt nicht mehr. Seit sie die neuen Rohre in der Wohnung verlegt haben, hat sich die Miete verdreifacht, und jetzt müssen wir umziehen. Ich habe wirklich keine Lust, in einem Vorort zu wohnen.«
»Dann musst du wohl auch die Verbrecherlaufbahn einschlagen. Oder Mama um dein vorzeitiges Erbe bitten«, sagte Emma.
»Ich weiß gar nicht, ob es überhaupt ein Erbe gibt, Mama lebt vielleicht noch zwanzig Jahre.«
»Das stimmt. Und außerdem sollten wir uns das Erbe verdienen , oder was meinst du?« Emma betrachtete das graue Eternitgebäude, in dem ihre Mutter die vergangenen drei Jahre verbracht hatte. »Wenn sie ins Gefängnis geht, sollten wir sie ein bisschen häufiger besuchen. Uns um sie kümmern. Oder wir müssen die Kohle anders ranschaffen.«
»Jetzt denkst du ja selbst schon wie eine Kriminelle.«
»Ach, weißt du, so schlimm ist das gar nicht«, sagte Emma, »aber natürlich kommt man auf Ideen.«
Als Petra, die vertretungsweise im Grand Hotel putzte, den Putzwagen aus dem Anbau holen wollte, erstarrte sie. Ihre Gummihandschuhe waren verschwunden, und die Bilder, die sie in der Prinzessin-Lilian-Suite abgehängt hatte, standen nicht mehr auf dem Wagen. Auch ihr Glasreiniger fehlte, und das Putzmittel für die Böden war fast leer. Sie ärgerte sich über sich selbst. Sie hatte den Wagen ins Lager zurückstellen wollen, aber ihn im Flur des Anbaus stehenlassen, um die Bilder aus der Liliansuite hineinzustellen. Genau in dem Moment hatte ihr Freund angerufen. Er hatte sie mit einem Fremden in einer Kneipe gesehen und eine Erklärung verlangt. Es hatte lange gedauert, bis er geglaubt hatte, dass der Mann nur ein Arbeitskollege war. Nach dem Gespräch war sie so aufgebracht gewesen, dass sie den Putzwagen völlig vergessen hatte, und erst, als sie in der U-Bahn gesessen hatte, war ihr eingefallen, dass er mitsamt den Bildern noch im Flur stand. Jetzt war es passiert. Jemand hatte den Wagen benutzt, und die Gemälde waren futsch. Sie suchte zwischen den anderen Bildern, aber da waren sie nicht. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie das der Geschäftsführung melden sollte, doch sie bekam Angst, dass sie etwas falsch gemacht haben könnte. Schließlich hatte sie ja auf eigene Faust gehandelt und würde eventuell ihren Job riskieren. Und wenn niemand anders davon wusste, musste sie überhaupt nichts erzählen. Die Bilder würden schon wiederauftauchen.
Sie stellte neuen Glasreiniger und Bodenputzmittel auf den Wagen, holte ein paar Handschuhe und fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben. Wie immer hatte sie viel zu tun.
37
Der Bootsmann Janson fuhr zu den Lagerhäusern im Värtahafen, hielt kurz vor der Schranke und drückte auf die Fernbedienung. Am Kai war nichts los; außer einem einzelnen Hafenarbeiter, der auf einer Palette lag und döste, sah er keine Menschenseele. Er fuhr weiter und bremste langsam vor der Halle 4b. Allanson stieg aus, schloss auf und wies seinen Kumpel routiniert ein, der mit dem Hänger rückwärts einparkte. Janson schaltete den Motor aus und sprang aus dem Wagen.
Obwohl sie den Schuppen erst vor neun Monaten angemietet hatten, füllte er sich schon zusehends. An einer langen Wand standen Paletten, ein Kompressor und Autoreifen, und an der gegenüberliegenden Wand sah man reihenweise Lagerregale, vollgestopft mit
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