Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
nach Teer duftenden Kordel. Das war eine gute Idee, denn Anna-Gretas Strumpfhosen waren alt und rochen nach Schweiß.
»Das wäre erledigt«, sagte Snille, und seine Augen leuchteten wieder wie die eines kleinen Jungen. »Und du versprichst uns, dass das Seil auch hält«, sagte er mit Blick zu Kratze.
»Bislang hat es immer gehalten, und außerdem habe ich alles mit zwei Kordeln, doppelten Knoten und Palstek gesichert«, war seine Antwort.
Das klang verlässlich. Als die Herren am nächsten Morgen wie gewohnt um fünf Uhr aufwachten, um ihre Blase zu entleeren, zogen sie sich an und klopften bei den Damen an die Tür. Danach schritten sie zu Werke. Während Kratze die Kordel hielt, versenkten sie die schwarze, schlangenartige Wurst im Fallrohr, das von Balkon herabführte. Weil sie die Scheine ordentlich gebündelt hatten, bevor sie sie in die Strumpfhosen gestopft hatten, brauchte die knapp zwei Meter lange Geldwurst nicht viel Platz im Rohr. Natürlich würde das Wasser dort etwas langsamer fließen, aber nicht auffällig langsam. Das hatte Snille berechnet. Am Ende befestigten sie alles mit Kratzes Spezialknoten. Weil die Schnur dieselbe Farbe hatte wie das Regenrohr, fiel sie von oben nicht auf, und nicht einmal ein Hellseher hätte sagen können, dass hier knapp fünf Millionen Kronen in Scheinen versteckt lagen.
Nach kaum einer Stunde waren die beiden Männer fertig, und der Verkehr auf der Skeppsbro kam langsam in Gang. Während die Sonne am Himmel immer höher stieg, verspeisten die fünf ganz zufrieden ihr Frühstück. Dieses Mal begnügten sie sich nicht mit dem üblichen Continental Breakfast, sondern bestellten ein umfangreiches Frühstücksbüffet inklusive Champagner. Die Mission war beendet, und das Einzige, das noch an den großen Bilderklau erinnerte, war der leere, schwarze Einkaufstrolley, der von oben bis unten mit der DNA der Rentner verseucht war.
35
So kam der Tag, den sie so lange vor sich hergeschoben hatten, der Tag, an dem sie ihre Verbrechen anzeigen wollten. Märtha hatte sich das so gedacht, dass sie zu einer kleinen, gemütlichen Polizeiwache gehen würden, wo sie ganz in Ruhe mit einem freundlichen Beamten sprechen konnten. Doch die Polizeiwache in der Gamla Stan – die mit der hübschen, roten Laterne über der Tür – gab es nicht mehr. Also mussten sie nach Kronoberg fahren, in diesen Klotz auf Kungsholmen, wo auch das Gefängnis war. Sie warf einen Blick auf den riesigen, roten Backsteinbau und schauderte. Jetzt fühlte sie sich gleich wie ein richtiger Verbrecher, und das ärgerte sie, bis sie sich eingestehen musste, dass sie ja auch eine Verbrecherin war. Mit ihren Kumpanen und dem Einkaufstrolley im Schlepptau marschierte sie zur Rezeption, sah die Dame, die vor ihr saß, scharf an und sagte:
»Ich möchte eine Anzeige erstatten.«
»Aha. Hat man Sie bestohlen?«
»Nein, es geht um Kidnapping.«
»Kidnapping?« Die junge Frau hinter dem Tresen schaute erschrocken auf und betätigte einen Knopf auf ihrem internen Telefon. Märtha verstand nicht, was sie sagte, aber kurz darauf erschien ein großer, kräftig gebauter Kollege. Er sah gar nicht so lieb und nett aus, wie sie sich das vorgestellt hatte, und als sie höflich knickste, sah er sie entgeistert an.
»Hier entlang bitte«, sagte er.
»Und meine Freunde?«, wandte Märtha ein.
»Sie wollen doch wohl nicht alle Anzeige erstatten?«
»Doch, es geht um dieselbe Tat«, erklärte Märtha und bemerkte selbst, wie blöd das klang.
»Es reicht fürs Erste, wenn ich mit einem von Ihnen spreche«, bestimmte der Polizeibeamte und zeigte ihr den Weg zum Vernehmungsraum. Er setzte sich an einen Computer.
»Und?«
»Ja, ich möchte also einen Diebstahl anzeigen«, sagte sie und bekam rote Wangen.
»Ach so, mehr nicht?«
»Eigentlich war es mehr ein Kidnapping.«
»Entschuldigen Sie, aber das müssen Sie etwas genauer erklären.«
»Sie haben von dem Diebstahl im Nationalmuseum gehört? Das waren wir. Meine Freunde und ich.«
»Das heißt, Sie haben zwei der berühmtesten Gemälde der Kunstgeschichte entwendet?«, fragte er, und seine Stimme hatte einen säuerlichen Unterton. »Und das haben Sie getan, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen?«
»Ja, so war es. Niemand hat uns erwischt.«
»Aha, ich verstehe«, sagte der Beamte und sah auf die Uhr. »Aber sagen Sie mal, Sie haben doch von Kidnapping gesprochen. Um wen geht es denn da?«
»Na ja, um keine Person. Wir haben die Bilder aus dem Nationalmuseum
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