Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
Werkstatt war und arbeitete. Denn so lernte man Sprachen, ohne sich anzustrengen, meinte er. Und bislang funktionierte es auch. Sogar Kroatisch konnte er ganz gut.
Der Jugoslawe musste mitgekriegt haben, wie Snille Skizzen für seine Erfindungen machte, denn ein paar Tage später näherte er sich ihm auf dem Hof und flüsterte ihm zu.
»Du können gute technisch, hä?«
»Ach, ich weiß nicht. Als ich klein war, habe ich viel mit Lego gebaut, mehr nicht.«
»Nee, nee, du sein Erfinder. Ich wissen. Du sein super mit Schloss und Alarm.«
Scheiße, dachte Snille, der sich vorgenommen hatte, im Gefängnis möglichst nicht aufzufallen.
»Ach was, ich habe als Bub ein bisschen über die großen Erfinder gelesen.« Snille winkte ab.
»Die Banken, weißt du«, fuhr der Jugoslawe fort. »Blöd, so blöd. Nehmen Geld von Staat, wenn schlecht, hä, aber geben nichts ab, wenn gut. Ich bring das in Ordnung, du helfen …«
»Ach so, nein, das geht anders«, unterbrach ihn Snille. »Der Staat kann einen Bonus beantragen. Davon wird man reich.« Er gab sich Mühe, kompetent zu klingen, schließlich hatte er die Zeitung gelesen und mitbekommen, dass man von Boni reich werden konnte. Ein bisschen verstand er von Wirtschaft schon … Der Jugoslawe hatte herzlich gelacht und ihm die Hand auf die Schulter gelegt.
»Du kennen hier in Stockholm das Büro von Handelsbank am Karlaplan, hä? Bei Valhallaväg und man abhauen direkt zu Arlanda. Aber die Schlösser da sehre knifflig …«
Snille machte eine abwehrende Handbewegung.
»Tut mir leid, aber von solchen Schlössern habe ich keine Ahnung.«
Mit der Jugomafia wollte er im Leben nichts zu tun haben, und künftig versuchte er, auf Abstand zu gehen. Aber er beobachtete, wie Juro auf dem Hof Kontakt zu den anderen Häftlingen suchte. Unter anderem fragte er einen ehemaligen Bankangestellten aus. Der Mann war wegen Wirtschaftskriminalität angeklagt und hat jahrelang mehrere Konten geplündert, bis seine Frau Anzeige erstattet hatte.
Eine Woche später verließ der Jugoslawe das Untersuchungsgefängnis, und Snille atmete auf. Juro hatte ihn die ganze Zeit im Auge behalten, und es war wirklich schwierig gewesen, sich dümmer zu stellen, als er war. Der Schweigsame bekommt Informationen, der Dumme redet selbst, war sein Motto. Aber Snille war sonnenklar, dass Juro und seine Freunde hinter den Mauern eine ganz große Nummer planten.
»Manchmal sie schnappen dich, nicht schlimm. Nur bleiben im Gefängnis ein bisschen. Dann Geld holen«, hatte der Jugoslawe ihm erklärt.
Snille grübelte lange darüber und fragte sich, ob man diese Philosophie nicht weiterspinnen könne. Das Verbrechen wegrationalisieren, aber trotzdem reich werden. Das müsste doch das Nonplusultra sein. Aber er war noch nicht darauf gekommen, wie das klappen könnte. Er brauchte unbedingt Märtha. Gemeinsam würde ihnen etwas einfallen.
44
»Und warum bist du in Hinseberg? Solche wie du gehören doch ins Altersheim.«
Märtha drehte sich um. Sie stand in der Küche und hatte sich gerade ein Glas Milch eingeschenkt, als eine junge Frau mit wuscheligen Haaren, schmalem Mund und einer spitzen Nase in den Raum kam. Sie musste so Mitte dreißig sein, kaute Kaugummi mit offenem Mund und stemmte die Hände demonstrativ in die Seiten. Nette Begrüßung, dachte Märtha. Sie könnte wenigstens versuchen , freundlich zu sein.
»Altersheim, nein. Ich bin doch kein Dinosaurier. Sonst hätte ich nicht so ruhig hier gestanden, sondern dich aufgefressen.«
Die Augenbrauen der jungen Frau zuckten.
»Ach so, du bist der vorlaute Typ. Vorsicht! Vergiss nicht, dass du zum ersten Mal hier bist. Ich hab hier schon früher abgehangen.«
Schon früher abgehangen? Märtha überlegte. Das hieß vermutlich, dass sie hier schon mal gewesen war.
»Häng mich hierhin oder dahin. Es ist nicht verboten, einem Neuankömmling freundlich entgegenzutreten«, sagte Märtha, trank einen großen Schluck Milch und stellte das Glas zurück in die Spüle. »Übrigens, ich heiße Märtha Anderson.«
Die Frau kaute weiterhin auf ihrem Kaugummi herum.
»Warum bist du hier?«
»Diebstahl«, sagte Märtha.
»Eine wie du? Trinkst du deswegen Milch – um beim nächsten Coup mehr Kraft zu haben? Na los, du Ziege.«
Zwei jüngere Frauen, die zwischenzeitlich in die Küche gekommen waren, brüllten vor Lachen. Märtha schielte zu einem Wärter hinter der Glasscheibe an der langen Wand und fragte sich, ob er sie hören konnte. Der Blick der
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