Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
gefunden, und früher oder später würde er erfahren, was diese wunderbare Frau im Schilde führte.
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Die Abende wurden heller, und gerade an dem Tag, als Märtha nach Hinseberg gebracht werden sollte, sprangen die ersten Knospen auf. Als sie durch die Tür spazierte, sah sie, dass der Wagen bereits dort stand. Bevor sie einstieg, warf sie noch einen Blick auf das Gefängnisgebäude, in dessen Fenstern sich wie immer der Himmel spiegelte. Die Sonnenstrahlen glänzten wunderschön, doch so schillernd war es innen natürlich nicht gewesen. Jetzt erwartete sie, Gott sei Dank, ein richtiges Gefängnis, auch wenn sie es schade fand, dass dort nur Frauen untergebracht waren. Wenn sie Glück hatte, würde es ihr da besser ergehen als in der Untersuchungshaft. Hier war alles vollkommen verbarrikadiert . Im Altersheim hatte man sie zwar eingeschlossen, doch Schwester Barbro hatte wenigstens keine Gitter vor die Fenster geschraubt. Anfechten konnte Märtha das Urteil jedoch nicht. Da das ganze Projekt ihre Idee gewesen war, konnte sie nicht in letzter Minute einen Rückzieher machen. Wobei sie um ein Haar gar nicht verurteilt worden wäre. Der Richter hätte sie nämlich gern freigesprochen. Der Fünfhundertkronenschein und der Einkaufstrolley waren keine hundertprozentigen Beweise. Nur die DNA-Proben stimmten überein. Doch auch wenn die Polizei Handy, Haarbürsten und das eine oder andere Goldarmband im Kleiderschrank des Grand Hotels gefunden hatte … der Richter meinte nach wie vor, dass die Alten nur etwas verwirrt im Kopf waren. Außerdem war noch immer nicht endgültig geklärt, was im Nationalmuseum wirklich geschehen war. Der krumme Stock zum Beispiel hatte der Polizei Rätsel aufgegeben, doch bei der Rekonstruktion des Verbrechens hatte sie keinen Anhaltspunkt finden können, welche Rolle er beim Diebstahl selbst gespielt hatte. Der Richter hatte die Meinung vertreten, dass man im Zweifel für den Angeklagten stimmen müsse und dass es nicht üblich sei, ein Jahr Gefängnis für nicht vorbestrafte Senioren zu fordern. Die Schöffen waren allerdings der Ansicht gewesen, dass die fünf Alten die doppelt und dreifache Strafe verdient hätten. Die Zeitungen hatten nämlich wochenlang über die skrupellosen Alten berichtet, die Schwedens Kulturerbe veruntreut und sich Bilder im Wert von dreißig Millionen Kronen sowie ein Lösegeld in der Rekordhöhe von zehn Millionen unter den Nagel gerissen hätten. In jedem Leitartikel wurde hervorgehoben, um welch enormes wirtschaftliches Verbrechen es sich hierbei handele, und es wurde sogar mit der Raffgier von Finanzhaien verglichen. Das hatte bei den Schöffen natürlich Eindruck gemacht, auch wenn sie behaupteten, völlig unabhängig zu sein. Märtha hatte ausgesagt, dass sie dem Museum die Bilder zurückgeben wollten und dass die zehn Millionen für wohltätige Zwecke investiert werden sollten, doch das glaubten sie ihr nicht. Als der Richterspruch fiel, konnte sich jedoch keiner dazu durchringen, dagegen Einspruch einzulegen. So ein Verfahren dauerte, und außerdem war die letzte Zeit schon sehr anstrengend gewesen. Bei guter Führung müssten sie nach einem halben Jahr entlassen werden. So konnten sie in der Zwischenzeit ein richtiges Gefängnis ausprobieren. Märtha war neugierig auf das Gefängnis in Hinseberg und fand es spannend, den Alltag mit Kriminellen zu verbringen. Mit Gefängnissen hatte sie keinerlei Erfahrung, und sie liebte alles, was neu war. Und außerdem musste es besser werden als die Untersuchungshaft.
Dort war es eng und dunkel gewesen, und der tägliche Sport hatte ihr entgegen ihren Erwartungen überhaupt nicht gefallen. Die Wärter hatten sie in einen sterilen Pausenhof geführt, der von den höchsten Mauern, die sie je im Leben gesehen hatte, eingezäunt gewesen war. Nicht solche hübschen, sich wiegenden Kornfelder wie in Österlen, sondern nur Beton. Nicht einmal, wenn sich vier Gefangene auf ihre Schultern gestellt hätten, hätte der Oberste darüberschauen können. So war sie enttäuscht über den schmutzig grauen Betonboden des Hofes gewandert und hatte Vögel, D-Züge und das normale Leben draußen gehört – doch das Einzige, was sie sehen konnte, war ein graues Gitter aus Metall vor einem Stückchen Himmel. Der Rest war Eingeschlossensein und Mauerwerk. Der Kontrast zur Prinzessin-Lilian-Suite war groß, und schließlich sehnte sie sich sogar nach dem Piepen von der Mikrowelle, in der Kratzes Nachtessen stand, oder nach Anna-Gretas
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