Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
fragte der Pferdeschwanz.
»Was machen Sie denn eigentlich bei Brustimplantaten …? Haben Sie dafür einen speziellen Scanner?«
»Sie können sich jetzt wieder anziehen«, sagte der Pferdeschwanz, und Märtha erkannte nicht einmal den Ansatz eines Lächelns in ihrem Gesicht. »Folgen Sie mir bitte, wir müssen jetzt in die ärztliche Sprechstunde.«
»Ich bin nicht krank.«
»Wir werden Ihren Körper untersuchen.«
Mit einem Schlag verstand Märtha, was die Wärterin meinte. Sie holte tief Luft und stieß sie mit einem deutlichen pjiihu wieder aus.
»Liebes Fräulein, ich freue mich ja immer über Besuch. Das ist lange her – aber ganz im Ernst. Sie verschwenden Ihre Zeit. Da habe ich die Bilder nicht versteckt.«
Wenn Blicke töten könnten, hätte der Pferdeschwanz davon Gebrauch gemacht, und Märtha war schlagartig still. Wie sauer die werden konnte! Aber dies war der falsche Ort und die falsche Zeit zum Witzemachen. Im selben Augenblick erahnte Märtha, was ihr bevorstand. In Hinseberg würde es vielleicht doch nicht ganz so nett werden, wie sie es sich vorgestellt hatte.
43
Die Zeit in der Untersuchungshaft war zu Ende, und es wartete ein neues Gefängnis. Snille saß in seiner Zelle und blätterte die Gedichte durch, die Märtha ihm geschrieben hatte. Sollte er es wagen, sie aufzuheben? Vielleicht würden sie in der neuen Strafvollzugsanstalt beschlagnahmt und analysiert werden. Gleichzeitig glaubte er nicht, dass er sich alles merken konnte, was sie geschrieben hatte. Er musste sie wohl oder übel mitnehmen. Schlimmstenfalls könnte er lügen und sagen, dass er sie selbst geschrieben habe.
Er las sich die Gedichte noch einmal durch. Im ersten hatte sie auf das Geld im Fallrohr angespielt, in den letzten Texten hatte sie konstruktive Vorschläge gemacht, was man mit dem Geld anstellen könne. Neben der Unterstützung für die Altenpflege, die Kultur und die Armen war sie ganz sentimental geworden. Sie deutete an, dass ihr die Museen so leidtäten, die einen so schmalen Etat hätten, und schlug vor, dass sie einen Teil des Geldes doch ans Nationalmuseum zurückgeben könnten – warum nicht auch als Spende für den Förderverein des Museums. So viel Reichtum, zurück an die Kunst, oder wie sie sich ausgedrückt hatte. Im nächsten Gedicht hatte sie etwas ganz anderes geschrieben. Ruhe in Frieden, Mammons Geschenk, im Wasser des Lebens, das fällt . Das deutete er so, dass das Geld trotz allem im Fallrohr bleiben sollte, aber vielleicht war das auch nur eine ihrer falschen Fährten?
Der Priester, der heimlich alles las, war mittlerweile wirklich irritiert, und Snille hatte ihm erklärt, dass es Märtha im Gefängnis offenbar nicht sehr gutging. In den letzten zwei Gedichten hatte sie wirklich kein Blatt mehr vor den Mund genommen.
In einem grenzenlosen Leben
gibt es Reichtum für alle
wenn die Sonne die Erde begrüßt
mögen alle glücklich werden
Märtha wollte also den anderen etwas abgeben – aber außerdem Geld haben, um in die Sonne zu reisen. Und dann sollte offenbar der Diebstahlsfonds aktiviert und unterhalten werden.
Der Herzensfonds des Himmelschores
füll und halte ihn am Leben
Gottes Güte
sorgt für alle
Märtha schien große Pläne zu verfolgen, aber vielleicht war sie doch etwas zu optimistisch? Auch wenn sie einige Wertsachen und zwei berühmte Gemälde geklaut hatten, konnten sie noch lange nicht jedes Ding drehen. Es wehte ein rauer Wind in der Welt der Kriminellen, ja, es war sogar richtig gefährlich. Sich auf die schiefe Bahn zu begeben war zwar interessant gewesen, aber wenn es im Gefängnis genauso war wie in der Untersuchungshaft, dann waren Gefängnisse wirklich überbewertet. Wenn die fünf sich wieder ein Verbrechen vornahmen, dann musste es so perfekt funktionieren, dass sie nicht hinter Gitter mussten.
Snille fielen die gruseligen Typen ein, die er in der Untersuchungshaft kennengelernt hatte. Juro, ein großer und kräftiger Jugoslawe, hatte etwas von einem Megabanküberfall geflüstert. Er hatte zwar Kroatisch gesprochen, aber Snille, der ja mehrere Sprachen beherrschte, hatte alles verstehen können. Snilles Vater war in der früheren Tschechoslowakei Schreiner gewesen, und seine Mutter war Italienerin. Als seine Eltern nach Schweden kamen, hatten sie alle möglichen Sprachen gesprochen, und Snille hatte einiges aufgeschnappt. Er begann, sich für Sprachen zu interessieren, und hörte sich oft die ausländischen Radioprogramme an, wenn er in der
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