Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
haben, dass sie ohne ihre Schallplatten nicht leben könne. Die Wärter hatten bestimmt ihr Wiehern nicht ausgehalten. Märtha hingegen hatte nicht einmal ihr Strickzeug, die halbfertige Jacke, mitnehmen dürfen.
Nach dem Essen hatte es aufgeklart, und Märtha ging hinaus in den Park. Die drei würden sich nun das erste Mal seit der Zeit in Kronoberg begegnen, und sie machte sich Gedanken. Hoffentlich waren die beiden anderen nicht wütend auf sie, weil sie nun wussten, wie es wirklich im Gefängnis war? Als die Tür aufging und ihre Freundinnen auf den Hof kamen, musste sie einige Male tief durchatmen, bevor sie auf sie zuging. Die Sonne schien, und es duftete lieblich von den Traubenkirschen und vom Flieder. Die Kirschbäume blühten, und die Luft war lau und mild.
»Ich hoffe, ihr seid mir nicht mehr böse, dass ich euch da mit reingezogen habe«, sagte Märtha, als sie sich begrüßt hatten und in die Street , den alten Hauptweg über das Gelände, eingebogen waren. Die Vögel zwitscherten, und alle außer Anna-Greta konnten den Wind in den Baumkronen hören.
»Böse? Aber meine Liebe! So viel Spaß hatte ich seit den Partys bei der Bank nicht mehr«, brach es aus Anna-Greta heraus. Dann fummelte sie an ihrem Feuerzeug herum und steckte sich einen Zigarillo an. Stina und Märtha machten große Augen. Ihre Freundin nahm einen ordentlichen Zug, hustete und fuhr fort: »Ja schaut doch mal, wie schön es hier ist. Kein Vergleich zum Aufenthaltsraum im Haus Diamant.«
Stina stimmte ihr zu.
»Warum sollten wir traurig sein? Genau das hatten wir doch vor. Eine nette Unterbringung und die Möglichkeit, sich draußen aufzuhalten. Außerdem bekommen wir selbstgekochtes Essen. Die Sache mit unseren Männern ist natürlich schade, aber dann müssen wir uns eben trösten, so gut es geht.«
»Ja, ohne Snille und Kratze müssen wir mit den Wärtern vorliebnehmen. Ich habe drinnen einige gesehen. Richtig schnieke Jungs, jung und schön und ohne Bierbauch. Viele Muskeln und anzügliche Blicke. Der mit den Koteletten ist doch gar nicht so übel.«
»Aber Stina, was soll denn Kratze dazu sagen?«, fragte Märtha, während Anna-Gretas Blick etwas abwesend schien.
»Wisst ihr was, Gunnar hat mich in der Untersuchungshaft besucht.«
»Gunnar? Wie um alles auf der Welt …«, fragte Stina.
»Na ja, er ist ein bisschen schüchtern. Als er endlich allen Mut zusammengenommen hatte und zum Grand Hotel kam, saß ich schon hinter Schloss und Riegel. Aber er hat tatsächlich herausbekommen, wo ich bin.«
»Ist ja unglaublich! Ist er schuld daran, dass du plötzlich Zigarillo rauchst?«, fragte Märtha.
»Ja, wollt ihr mal probieren? Ich kann den Wärter bitten, euch auch einen zu geben. Aber dann muss ich gleich morgen Bescheid geben.«
»Nein, danke, wir kommen gut ohne aus«, sagten Stina und Märtha wie aus einem Munde und wichen dem Rauch aus.
»Wisst ihr, der Gunnar«, fuhr Anna-Greta fort und hatte ein glückliches Lächeln auf den Lippen, »er hat mich überhaupt nicht verurteilt. Im Gegenteil. Er hatte von dem Bilderraub schon gehört und fand es genial, dass wir sowohl das Nationalmuseum als auch die Polizei so an der Nase herumgeführt haben. Er hat gesagt, alle Frauen, die er sonst kennengelernt hat, seien so schrecklich langweilig gewesen, und im Vergleich zu ihnen sei ich ein wunderbarer Tornado.«
»Tornado?« Märtha ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen. Kein kleiner »frischer Wind«, sondern gleich ein Tornado . Wenn er nach der Stimme urteilte und ihrem Lachen, dann hatte er natürlich den Nagel auf den Kopf getroffen.
»Er hat versprochen, mich hier auch zu besuchen.«
»Wie nett«, sagte Märtha.
»Und wisst ihr was«, sprach Anna-Greta weiter. »Gunnar hat eine riesige Plattensammlung und hat mir drei Kisten Platten ausgeliehen. Am besten ist, dass er Kirchenmusik mag, und er hat auch mehrere Platten von Lapp-Lisa.«
»Jackpot«, murmelte Märtha.
»Wie auch immer, hier ist es sehr schön«, sagte Stina und ließ ihren Blick über den Rasen schweifen. »Es fühlt sich an, als würde man in einem riesigen Garten sitzen.«
»Nicht wahr!«, sagte Märtha. »Früher wohnten die Gefangenen in schönen alten Holzhäusern, aber …«
»Die Häftlinge«, schob Anna-Greta ein, denn sie war der Ansicht, man solle alles beim rechten Namen nennen.
»Aber es war sehr altmodisch, man musste sogar Bescheid sagen, wenn man auf die Toilette wollte. Die Häuser wurden vor ein paar Jahren abgerissen, und nun
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