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Wir haben gar kein Auto...

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Titel: Wir haben gar kein Auto... Kostenlos Bücher Online Lesen
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Präsident Bush ist noch bis Mitte Januar im Amt. Zwei, drei oder zehn Tage Verspätung haben nicht die geringste Bedeutung, und trotzdem heißt es, die ganze Welt halte den Atem an. Sollen wir allen Ernstes völlig überflüssigerweise den Atem anhalten, nur weil wir es gewohnt sind, Dinge für dringlich zu halten, die es gar nicht sind?
Die fixe Idee der Eile bestimmt leider auch unser Privatleben. Im Leben gibt es immer einen Moment, in dem man in die Pedale treten muss. Doch wenn man schnell ankommen will, ist es oft besser, in langsamem Tempo eine vernünftige Strecke zu fahren, als ohne Kompass blindlings loszuhasten. Letztlich kommen einem hundert langweilige Kilometer im Auto deutlich länger vor, als wenn man sie mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurücklegt.
    Ãœbrigens sind Jutta und ich dann doch irgendwann in Andechs angekommen. Es ist inzwischen 14.45 Uhr, und mein Magen beschwert sich fürchterlich! Und ich bin sogar ein bisschen zappelig. Wir haben gerade unsere Räder an das Mäuerchen eines völlig überfüllten Biergartens gelehnt und halten nach einem freien Tisch Ausschau. Im Gehen bemerke ich das Grübchen, das sich immer dann auf Juttas linker Wange bildet, wenn sie lächelt – ein sehr anziehendes Detail, fast so wie ihre Beine. Vor allem aber ein kleines Detail, das ich in der Hektik des Alltags immer übersehen habe. Liebend gern würde ich dieses Grübchen jetzt zärtlich küssen, doch der überfüllte Biergarten scheint mir weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt zu sein.
    Wir gehen hinein und holen uns im Selbstbedienungsrestaurant ein ausgezeichnetes Bier und eine Brotzeit, bestehend aus Klosterkäse und Obatzda (ein typisch bayerischer Käse ähnlich wie Camembert, aber viel, viel besser). Wirklich sehr lecker!
    Andechs ist nicht nur ein religiöses Zentrum, es wird dort auch nach der alten Tradition des Ordens Bier gebraut. Von dem großen Parkplatz gehen wir nach dem Essen über eine Freitreppe zu einer eindrucksvollen Kirche hinauf, an deren Glockenturm mir die außergewöhnliche Sonnenuhr auffällt. Nachdem wir das prunkvolle Innere, ein echtes Meisterwerk des Rokoko, geprägt von einer Unmenge Stuckund Fresken, bewundert haben, in dem übrigens der Komponist Carl Orff begraben ist, kehren wir in die profanere Welt zurück. Diesmal spülen wir mit einem Krug Doppelbock Dunkel jeder einen traditionellen Zwetschgendatschi herunter, diesen köstlichen Pflaumenkuchen, der, im Gegensatz zu vielen anderen bayerischen Süßspeisen, ausnahmsweise mal nicht so schrecklich süß ist. Der Teig ist beinahe geschmacklos, mehr noch als unsere
torta margherita,
aber was für eine Köstlichkeit!
    Nach dieser Stärkung setzen wir unsere »langsame« Fahrt fort und strampeln durch einen hohen Buchenwald erst zum Ufer des Ammersees hinauf und dann weiter zu dem kleinen Hafen von Herrsching, wo uns um 17.00 Uhr die Fähre nach Dießen erwartet.
    Und was heckt in der Zwischenzeit mein ungeduldiger Schatz aus, der nicht eine Sekunde lang untätig sein kann? Die liebe Jutta beschließt, schwimmen zu gehen. Ich nutze den günstigen Augenblick, um mich in die Büsche zu schlagen und meine Blase an einem nicht allzu weit entfernten Baum zu leeren. Nur leider habe ich wohl die Distanz nicht richtig eingeschätzt, denn ich befinde mich nur wenige Baumstämme von einem jungen Paar entfernt. Benebelt von reichlich Bier und Zwetschgendatschi, bemerke ich ihre Anwesenheit nicht, die beiden dagegen haben mich längst entdeckt.
    Â»Schau mal, das ist doch der Typ aus der Kaffeewerbung!«, ruft die Frau.
    Â»Ischhh abbe gar keine Auto!«, imitiert der Mann.
    Was für eine Blamage! Ich hebe einen Daumen, lächle den beiden zu und mache mich, deutlich über meinem Grundtempo, aus dem Staub, während ich eine Melodie vor mich hin pfeife, die es gar nicht gibt. Am liebsten möchte ich vor Scham im Ammersee versinken.
Nachdem Jutta den Fluten entstiegen ist, quetschen wir uns auf die überfüllte Fähre. Fern von all den Millionärsvillen des Starnberger Sees, ist der Ammersee der ideale Ort für all jene, die wie wir die Romantik lieben. Auch wenn ich – ich muss es zugeben – beinahe mittendrin gelandet wäre, nur weil ich zwei dämliche Möwen filmen wollte!
    In Dießen wollen wir uns eigentlich gerne das herrliche Marienmünster

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