Wir haben gar kein Auto...
losfahren würden und deshalb so »armen Würsterln« wie uns gerne einen Schlafplatz gäben. Aber bevor wir uns jetzt zurückziehe würden, müsste er uns schon noch sein Hobby zeigen. Wir sind natürlich begeistert und laufen durch den regennassen Garten bis zu einem groÃen Teich, in dem riesige, bunte Koikarpfen schwimmen. Monster, so groà wie Hechte, mehr als einen halben Meter lang. So riesige Zierfische hab ich mein Lebtag noch nicht gesehen. Ein Wasserfall plätschert lautstark in den Teich, und Helmut zeigt uns stolz die sicher sündhaft teure Kläranlage. Alles höchst geheimnisvoll, mit Taschenlampe im Dunkeln, damit die Fische nicht denken, der Tag wäre angebrochen und sie bekämen was zu fressen. Fressen tun die sicher âne Menge, denke ich mir.
Die Wohnung, in die wir so schmutzig und verschwitzt einziehen, ist vom Feinsten. Eine Küche, ein Wohnzimmer mit Bar und Fernseher, ein Bad mit kuscheligen Handtüchern und ein groÃes, breites Bett. Beppi reicht uns noch ein Bier, und die beiden wünschen uns eine gute Nacht.
»Wann wolltâs denn frühstücken? Und mögtâs morgens a Ei?« Alles wäre überhaupt kein Problem, denn morgen würde der Sohn die Fahrprüfungen abnehmen, nur um zehn, da hätte sie einen Friseurtermin, den sie ungern sausen lieÃe.
Ich bin total gerührt, und Bruno, soweit er alles verstanden hat, ist es auch. Ich bin richtig stolz auf meine bayerischen Mitbürger und auf den ersten Tag, den ich meinem italienischen Liebsten offerieren konnte. So schnell macht mir das in Italien keiner nach, triumphiert es in mir. Aberinsgeheim bin ich ganz kleinlaut und ehrlich gesagt auch ziemlich froh, dass alles so glimpflich abgegangen ist.
Nach der Dusche wird noch Tagebuch geschrieben, die Route auf der Karte eingezeichnet, die Kilometer gezählt â ganze fünfundsechzig waren es heute â, und ich überlege, ob ich Uschis Penatencreme benutzen soll. Aber noch geht es, und unter dem Plätschern des Wasserfalls falle ich in den wohlverdienten Schlaf. Beim Wegnicken stelle ich mir noch vor, morgen früh zwischen den Monsterkarpfen ein Bad zu nehmen, brrrr, wie es mir davor gruselt. Wenn die mich beim Schwimmen berühren! Das lass ich mal besser.
»Gute Nacht, mein Schatz, schlaf gut.«
Erste Etappe:
München/Obermenzing â Reichling
Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Müsli, Croissants, Fruchtsaft, Blaubeermarmelade auf Nussbrot, Tee und Joghurt sind wir zur Abfahrt bereit. Noch sitzen wir in dem lichtdurchfluteten Haus in Obermenzing, und wie immer wird die Stimmung durch die Anwesenheit des treuen Gino aufgeheitert.
Die Regel lautet: losfahren ohne ein bestimmtes Ziel und unterwegs entscheiden, wo wir übernachten werden.
Das Wetter ist schön, und die Radtour beginnt, um uns nicht zu verweichlichen, auf einem Schotterweg im Wald inmitten alter Frauen, die mit ihren Hunden Gassi gehen. Nachdem wir unversehrt die stark befahrene VerdistraÃe überquert haben und ich heldenhaft den Mantel meines Reifens von einem Rest Hundekacke (soll ja Glück bringen!) gesäubert habe, fahren wir die asphaltierte StraÃe entlang.
Eine NebenstraÃe führt uns zu unserer Freundin Uschi, die auf alles gefasst ist, nur nicht darauf, dass wir an einem Sonntagvormittag gekleidet wie zwei Tänzer des Bolschoitheaters hereinschneien. Sie und ihren Lebensgefährten, die wir aus dem Bett geklingelt haben, scheint unser Anblick dennoch sehr zu amüsieren. Christian, der Chirurg ist, spart nicht mit guten Ratschlägen und gibt uns eine Creme mit,um die Rötungen am Hintern und im Bereich der Geschlechtsteile zu lindern.
Wir danken den beiden herzlich und fahren weiter, doch ich bekomme schon nach wenigen Metern ein Problem mit der Webcam und dem Mikrofon, das ich am Lenker angebracht habe. Es gelingt mir nicht, den Ton aufzunehmen. Dabei hat gestern noch alles perfekt funktioniert! Wie immer in solchen Fällen gerate ich in Panik und beginne, nervös zu werden.
Jutta erwähnt mit leichter Ungeduld in der Stimme, dass es spät sei â »Aber wir sind doch gerade erst
losgefahren!«, heiÃt das dann im Original â und dass wir uns noch von Harry und Mela verabschieden müssten. Da ich auf Harrys Fachkompetenz und seinen Vorrat an Ersatzkabeln spekuliere, willige ich begeistert ein. Die Stange meines Fahrrads ist
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