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Wir haben gar kein Auto...

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Titel: Wir haben gar kein Auto... Kostenlos Bücher Online Lesen
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teilen uns die freundlichen Damen allerdings mit, dass wir bei ihnen nicht wie gehofft übernachten können. In diesem Augenblick spüre ich, wie der Boden unter den Blasen an meinen Füßen wegzurutschen beginnt.
    Â»Keine Sorge, wir haben gerade einen Nachbarn angerufen. Er und seine Frau freuen sich, Sie heute Nacht bei sich aufnehmen zu dürfen, Frau Speidel!«, sagt die Wirtin einen Moment später.
    Jetzt stellen Sie sich bitte mitten in Reichling eine Villa mit Garten und einem kleinen künstlichen See voller Wasserpflanzen und etwa zwanzig kleinen japanischen Haien vor! Nachdem wir uns bekannt gemacht haben, gewährt uns der sympathische Herr Dietrich eine Führung durch seinen Garten, und während ich ein erstes Gähnen nicht unterdrücken kann, beginnt er, ein passionierter Züchter von Koi, einen langen, zermürbenden Vortrag über diese friedlichen und geselligen Fische, über die Wasserqualität, über die Degradation der chemisch-physischen Eigenschaften, über die Kläranlage und die für die Instandhaltung des Teichs notwendigen Arbeiten.
    Jutta redet erneut wie ein Wasserfall und will tatsächlich alles über die Farben der japanischen Karpfen wissen! Ich frage mich, ob sie von diesen verdammten Kois wirklich so fasziniert ist oder ob sie nur so tut, als interessiere sie sich dafür, um mir, sadistisch, wie sie ist, einen Streich zu spielen, weil ich in Reichling und nicht in Schongau übernachten wollte.
    Ich bin völlig fertig und möchte nur noch in irgendein Bett sinken, doch ich ahne schon, dass ich die ganze Nacht kein Auge zutun werde, wenn Herr Dietrich noch lange über seine Fische spricht.
    Endlich kommt mir mein Schatz zu Hilfe. »Danke, Herr Dietrich, wir gehen dann jetzt schlafen. Wir müssen morgen in aller Frühe nach Füssen weiterfahren.«
Auch dafür liebe ich diese Frau! Ein Kuss auf ihr Grübchen und gute Nacht.

ZWEITE ETAPPE

Reichling – Füssen

..................
    Technisch gesehen bereitet diese Etappe keinerlei Probleme. Man fährt in Schongau auf die Via Claudia Augusta und folgt ihr ohne irgendwelche Orientierungsprobleme bis Altenstadt, Burggen und Lechbruck. Die aus dem hügeligen Gelände resultierenden Höhenunterschiede betragen nur wenige Dutzend Meter und sind in den mittleren Gängen problemlos zu bewältigen.
    Auf dem letzten Abschnitt bis Füssen, auf dem die Straßendecke zu einem Großteil mit Splitt bestreut ist, kann einem allerdings das Hinterrad leicht wegrutschen oder man kann einen Platten bekommen, wodurch man wertvolle Zeit verliert. An manchen Stellen muss man außerdem auf Schlaglöcher achten. Den wenigen, bisweilen anstrengenden Abschnitten, in denen die Straße hinauf- und hinabführt, folgen stets erholsame Talfahrten.
    Insgesamt ist die Strecke eben, weshalb man alles in allem ohne größere Anstrengung in die Pedale treten kann.

    Â 

1. September 2008
2. TAG
    Irgendwie haben mich diese riesigen Kois die ganze Nacht verfolgt. Es wäre weit übertrieben, zu behaupten, dass ich eine ruhige Nacht mit süßen Träumen hinter mir hätte. Ganz im Gegensatz zu Bruno, der einfach immer und überall schlafen kann. Zwar behauptet er, schlecht geschlafen zu haben, aber damit meint er, vielleicht
einmal
aufgewacht zu sein in der Nacht. Ich hingegen hab das Geplätscher des Wasserfalls im Koibecken als die Niagarafälle empfunden und im Halbschlaf ständig versucht, an die Wasseroberfläche zu kommen.
    Oder hat es etwa geregnet in der Nacht? Oder regnet es etwa immer noch? Mir wird plötzlich ganz anders. Vorsichtig stehe ich auf, um den Prinzen an meiner Seite nicht zu wecken und gegebenenfalls gewappnet zu sein – hatte er doch ausdrücklich gesagt, dass er sich bei Regen weigert zu radeln. Aber vor dem Vorhang scheint, wenn auch zaghaft, die Sonne. Also doch die Niagarafälle.
    Geduscht und mit frischem Radleroutfit gestylt, die Tragetaschen wohlsortiert und eingeräumt, mit Vitamintabletten und Getränkeflasche bewaffnet, begeben wir uns wenig später in das Esszimmer unserer reizenden Gastgeber, wo auch schon ein üppiges, typisch bayrisches Frühstück auf uns wartet. Ich freue mich über das gekochte Ei,die Semmeln mit Butter, Wurst und Marmelade, selbstgemacht versteht sich. Der Kaffee duftet aus der großen Kanne, und ein richtiger Milchtopf mit warmer Milch rundet das Ganze auf

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