Wir haben gar kein Auto...
an.
»Und? Wo gibt es denn jetzt einen Espresso?«, fragt Bruno.
»Unten in Imst natürlich, aber dazu müssen wir erst mal runtergehen«, antworte ich.
Wir laufen weiter den kleinen Weg entlang und erreichen den Wasserfall. Tosend, wie es sich für ihn gehört, stürzt er sich ins Tal. Der Wasserfall, meine ich. Aber irgendwie stürzt er in Betonbahnen gelenkt in die Tiefe, so dass es mich nichtsonderlich beeindruckt. Wenn wir wirklich wilde Natur sehen wollten, müssten wir uns wahrscheinlich kletternderweise weiter hinaufbegeben. Also beratschlagen wir, was wir tun sollen. In Anbetracht noch weiterer dreiÃig bis vierzig Kilometer Wegstrecke, die wir heute vor uns haben, und mit dem Kaffeeduft im Sinn, geben wir die Kletterpartie auf und laufen runter zu unseren treu am Kircherl auf uns wartenden Rädern.
An einem Brunnen fülle ich die Flaschen auf und gebe die Mineraltabletten hinein. Unser Freund Christian, der Arzt, hatte wirklich recht: keine Spur von Muskelkater, seit ich mindestens drei Stück am Tag trinke. Sagen Sie jetzt nicht, dass wir ja beim Busfahren schwer einen solchen kriegen können. Neee, also das ist unfair. Die Penatencreme brauche ich nämlich sehr wohl für mein zartes Popöchen. Gestern hat mir Bruno abends noch einen todsicheren Tipp gegeben, wie die Creme am besten hilft. Ich soll eine Plastikvorlage zwischen Cremepopo und Hose legen, dann bliebe die Creme den ganzen Tag erhalten. Hab ich gemacht, und seitdem raschelt es heute den ganzen Tag in meiner Hose, und wirklich angenehm ist das Gefühl nun auch nicht.
Am Marktplatz von Imst, das ehrlich gesagt keine Reise wert ist, trinken wir auf die Schnelle unseren Kaffee und schwingen uns wieder auf den Sattel. Schier endlos fahren wir bergab durch ein Industriegebiet, und ich habe das Gefühl, auf dem falschen Weg zu sein, aber die Via geht so, wie wir fahren, und ich bedaure die armen Römer.
War ein Scherz!
Ehrlich gesagt ist der gesamte Weg von Imst nach Landeck nicht besonders aufregend. Es gibt einige nette und auch idyllische Abschnitte, alles sehr geschichtsträchtig, mit vielen Tafeln der Via, die den unwegsamen und mühevollen Weg vor zweitausend Jahren beschreiben, aber in Landeckangekommen, ist uns klar: Hier wollen wir garantiert nicht übernachten.
Da die Batterien von der Kamera schon wieder leer sind, erhofft sich Bruno, in dieser Stadt einen neuen Akku zu ergattern. Wir radeln kreuz und quer durch diese stinkigen, von Lastwagen und Autos überfüllten Gassen und finden schlieÃlich sogar einen von diesen Allrounderläden, aber selbst der hat so etwas nicht. Nichts wie weg hier! Die armen Bewohner von Landeck, das ist ja grausam, hier zu leben. Es gibt nur eine Möglichkeit, ihnen zu helfen: Man muss den Reschenpass verlegen!
»Wie sieht es bei dir aus«, frage ich meinen Schatz, »kannst du noch weiterfahren?«
»Wie weit und wie steil wird das denn noch?«, will er statt einer Antwort wissen.
Da mein Guide und ich nicht allwissend sind, sage ich der Wahrheit entsprechend, der Weg sehe gut und ruhig aus, sicherlich kontinuierlich ansteigend, aber eher zahm. »Insgesamt sind es noch mal ungefähr fünfzehn bis zwanzig Kilometer, die wir zu radeln haben. Zwar gibt es kein Gasthaus unterwegs, aber das erste Dorf ist so in zirka zwölf Kilometern, und dann können wir ja, wenn alle Stricke reiÃen, ein Taxi nehmen.«
Das sag ich mal so als Trostpflaster, denn Bruno braucht etwas, um die Hoffnung nicht zu verlieren.
Der Weg ist dann wirklich sehr schön. Rechts vom Inn schlängelt sich sanft ansteigend ein fester Erdpfad entlang. Der Inn ist wild und grautürkis in seiner Farbe. Es riecht nach den Pflanzen, die hier wachsen, Schilf und hohe Gräser und Farne, ein wenig modrig ist der Geruch, und eine angenehme Kühle strahlt der Fluss ab.
Die ReschenpassstraÃe liegt links auf der anderen Seite des Flusses, und hin und wieder sehen wir, wie befahrensie ist, aber dank des Rauschens des Wassers bleibt uns der StraÃenlärm erspart. So radeln wir tapfer vor uns hin. Ich des Ãfteren im Stehen, weil mir der Po wehtut, Bruno dagegen setzt an steileren Stellen den Satz »Wer sein Radl liebt, der schiebt« in die Tat um. Was sollâs, wir müssen nicht das gelbe Trikot gewinnen, Hauptsache, wir kommen heute noch nach Fiss.
Warum wollen wir denn eigentlich nach Fiss hinauf? Der Ort liegt doch gar nicht auf der
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