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Wir haben gar kein Auto...

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Titel: Wir haben gar kein Auto... Kostenlos Bücher Online Lesen
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in Ruhe die schöne Aussicht genießen wollen. Neben uns rauscht der Verkehr, wuuummm, wuuuummmm. Vor uns der Abhang. Ein Wind geht auch noch, so dass man alles festhalten muss.
    Ich rufe:
»Amore, voglio ritornare.«
    Â»Anch’io«,
schreit er zurück, und in dem Moment sehe ich, wie seine Brille in hohem Bogen Richtung Abhang fliegt.
    Jetzt ist’s vorbei mit seiner Gutmütigkeit. Klar, dass ich auch dafür die Schuld trage. Sauer ist der gute Mann, und wenn ich sie nicht gerettet hätte, bevor sie mit dem nächsten Windstoß gen Tal geflogen wäre, würden wir wahrscheinlich heute noch zankenderweise am Reschen stehen.
    Wir rauschen bergab. Mulmig ist uns, mir jedenfalls. Da sehe ich eine Postbus-Station. Die Rettung naht. Jetzt gilt es nur noch, unbeschadet auf die andere Straßenseite zu kommen. Ein Zeitplan aus dem vergangenen Jahrhundert hängt verwittert an einer Tafel. Das Häuschen, in dem einstmals ein sicher sehr fescher Tiroler Fahrkarten verkauft hat, ist völlig demoliert, alte Pornohefte liegen drinnen herum und der Rest einer Tageszeitung von anno dunnemal. Die Scheiben sind eingeschlagen, und irgendwie stinkt’s auch nach Notdurft. Laut diesem Plan käme in zwanzig Minuten ein Bus hier vorbei. Ich stelle mich in Winkposition, damit er uns auch ja nicht übersieht. Das wäre fatal, denn es ist der letzte heute, so er überhaupt kommt.
Inzwischen versuche ich bei meinem wilden Italiener schön Wetter zu machen, aber er ist stur wie der Gran Sasso, so einfach geht es nicht. Ich solle doch wenigstens zugeben, dass es mein
errore
gewesen sei.
    Meine Nerven liegen blank. »Was ändert das denn an der Tatsache!« Aber okay, okay, ich gebe alles zu und nehme sämtliche Schuld auf mich. »Bist du jetzt glücklicher?«, frage ich ihn.
    Tatsächlich ist er das! Ich fasse es nicht, er ist mit einem Mal einfach ein Stück glücklicher. Mit keinem Fünkchen würde er auch nur die geringste Schuld an der Situation auf sich nehmen. Ich habe ihn falsch geleitet, und damit basta.
    Â»Ich bin nicht für die Route zuständig, sondern nur für die Dokumentation«, erklärt er mir allen Ernstes.
    Komischerweise hat er aber seit vielen Stunden nicht mehr gefilmt. Bevor nun ich ausraste, kommt glücklicherweise der Bus.
    Nur nimmt er uns leider nicht mit!
    Â»Ich habe nur noch einen Platz«, wimmelt uns der Busfahrer ab, »und die Räder nehme ich in keinem Fall innen mit.«
    Â»Bitte«, flehe ich ihn an und liege fast vor ihm im Schmutz.
    Â»Nein!« Er bleibt hart.
    Drinnen sehe ich am Fenster Reisende genüsslich sich in den Sitzen räkeln. Tja, sie hatten es geschafft, sie müssen nicht draußen bleiben. Ich hege Mordgedanken. Der Bus fährt ungerührt weiter. Ich habe Bruno angefleht, dass wenigstens er einsteigen solle, ich würde es schon schaffen. Aber da ist nicht mit ihm zu reden. Ist ja auch lieb, dass er mich nicht im Stich lassen will. Oder hat er nur die Befürchtung, den Weg nicht zu kennen?
    Todesmutig stürzen wir uns dem Tal entgegen, und alsendlich, nach ich weiß nicht wie vielen Kilometern, die Zweiländerbrücke mit Zollhäuschen zu erkennen ist, bin ich nur noch dankbar, dass wir die Abfahrt heil überstanden haben. Wie können Biker bloß freiwillig auf dieser Straße fahren? Mir wird das ein ewiges Rätsel bleiben.
    Bevor wir zum zweiten Mal ohne Ausweis über die Grenze radeln, der Zöllner muss denken, ich muss verrückt sein, falls er mich wiedererkennen sollte, kehren wir zur Stärkung bei einem Kiosk ein. Der Automatencappuccino erscheint mir als der beste meines Lebens. Still sind wir beide, aber innerlich brodelt es.
    Frag mich jetzt bloß nicht, wo die Via ist, sonst platze ich, denke ich mir. Um vorzubauen, sage ich: »Okay, Bruno, wir müssen noch mal in die Schweiz einfahren. Falls der Zöllner diesmal Interesse an deinem Pass zeigt, kannst du nur noch morgen früh den Postbus nach Nauders nehmen. Eine Übernachtungsmöglichkeit musst du dir hier irgendwo suchen, ich fahre über Martina und von dort hoch zum Reschenpass. Falls wir aber durchkommen sollten, geht es zirka zehn Kilometer rein in die Schweiz und dann die Serpentinen hinauf Richtung Italien.«
    Â»Ist das denn die …«, will er gerade sagen, aber ich schneide ihm mit einem glasklaren »Ja!« das Wort ab.
    Pazienza, pazienza,
Jutta, immer klug und

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