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»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

Titel: »Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Poole
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gutgekleideten Herren aufgewacht bin. Draußen war es längst dunkel geworden, und auf dem Klapptisch vor mir stand ein Teller mit einem Stück Käsekuchen darauf. Ich nahm einen Bissen und schlief wieder ein. Als ich das nächste Mal zu mir kam, war der Kuchen verschwunden und der Tisch vor mir zurückgeklappt. Ich hatte riesiges Glück, dass die Crew mich trotzdem ausdrücklich vor meinen Ausbildern lobte und bescheinigte, meine Aufgaben perfekt ausgeführt zu haben. Ansonsten hätte ich einpacken können.
    Anderthalb Wochen vor der Abschlussprüfung betrat einer der Ausbilder das Klassenzimmer, nahm ein Stück Kreide und schrieb »Atlanta, Boston, Chicago, Denver, San Francisco, New York und Orlando« an die Tafel. Mein Magen verkrampfte sich. Dann drehte er sich zu uns um. »Diese Städte bieten wir momentan als Basis für unsere Mitarbeiter an. Sie werden nach Eintrittsdatum zugeteilt.«
    Wie gesagt – das Dienstalter ist das A und O bei einer Airline und richtet sich in erster Linie nach dem Datum der Abschlussprüfung. Innerhalb eines Lehrgangs ist wiederum das Geburtsdatum entscheidend. Bei uns war Linda natürlich die Älteste, während ich irgendwo in der Mitte landete, dicht gefolgt von Georgia.
    »Notieren Sie bitte Ihre Namen auf einem Zettel«, wies uns der Ausbilder an. »Unter Ihren Namen schreiben Sie Ihr Eintrittsdatum und darunter eine Liste mit den Flughäfen, die Sie gern als Basis hätten.«
    Ich wusste, dass Linda nach Texas wollte, doch da keine texanische Stadt auf der Liste stand, hatte ich keine Ahnung, wie ihre Rangfolge aussehen würde. Georgias Freund wohnte in North Carolina, deshalb würde sie sich wohl für Orlando entscheiden, wo der nächstgelegene Flughafen lag. Ob sie den Zuschlag tatsächlich kriegen würde, stand auf einem anderen Blatt, da es nur vierzehn freie Plätze in Orlando gab. San Francisco war die Basis der dienstältesten Flugbegleiter, die durchschnittlich seit fünfundzwanzig Jahren im Dienst waren. Dort würden sogar nur sieben von uns unterkommen können: aller Wahrscheinlichkeit nach die ältesten Kursteilnehmer sowie diejenigen, die ohnehin aus der Gegend stammten. In Boston, Chicago und Denver herrscht ein für mein Empfinden so unwirtliches Klima, dass diese Orte nicht einmal ansatzweise in Betracht kamen. Ich wollte am liebsten in den Big Apple! Auch wenn ich mir nicht vorstellen konnte, mich dauerhaft dort niederzulassen. Und – ach ja, da war ja auch noch der Mann an meiner Seite. Ich war immer noch nicht dazu gekommen, ihn in die Wüste zu schicken. Ja, ja, schon gut, ich weiß ja … Also setzte ich New York an die oberste Stelle meiner Liste – eine Stadt, die ganz, ganz weit von Dallas und damit von ihm entfernt lag. Da es in New York bekanntermaßen die meisten freien Plätze gab, konnte ich mich bestimmt mit ein paar meiner neuen Freundinnen zusammentun. Wir würden uns eine Wohnung suchen und uns gegenseitig über die Anfangsschwierigkeiten hinweghelfen. Außerdem war New York die Basis mit den meisten Berufseinsteigern, und so standen die Chancen gut, halbwegs akzeptable Strecken fliegen zu können. Ganz zu schweigen davon, dass von dort aus einige der aufregendsten internationalen Destinationen angeflogen wurden. Ich konnte es kaum erwarten, endlich Paris zu sehen!
    Gleich am nächsten Tag, gut anderthalb Wochen vor der Abschlussprüfung, bekamen wir unsere Basis zugewiesen. Ich durfte tatsächlich nach New York City! Und Georgia mit mir! Allerdings waren nicht alle so froh wie wir zwei. Bereits eine Stunde nach der Bekanntgabe warfen zwei stinkwütende Kolleginnen das Handtuch, weil sie die Basis ihrer Wahl nicht bekommen hatten. Am Tag vor der Abschlussprüfung wurden sogar fünf Teilnehmer nach Hause geschickt. Fünf! Man hatte sie angeblich bei einer kleinen Privatparty im Zimmer erwischt. So viele Abgänge in einer einzigen Woche hatte es noch nie gegeben. Überflüssig zu sagen, dass das eine höchst emotionale Zeit war, ich erinnere mich deshalb nur noch vage an die Abschlussfeier.
    Woran ich mich allerdings noch ganz genau erinnere, ist Lindas Auftritt an jenem Tag – eine Szene wie in einem Hollywoodfilm! In jedem Lehrgang gibt es einen, der sich mehr schlecht als recht durch die Ausbildung hangelt. Wenn so ein Kandidat schließlich doch die Abschlussprüfung besteht und vor Freunden und Familie die Bühne betritt, um sich die flügelförmige Silbernadel ans Revers heften zu lassen, ist er meist mit den Nerven am Ende. Allerdings sind

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