»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
wir, ich bin die Erste auf der Reserveliste und ein 3-Tages-Trip kommt herein. Der erste Flug soll um acht Uhr morgens starten. Weil ich am Vorabend aber erst um zehn Uhr gelandet bin, darf ich mich erst ab zehn Uhr an diesem Morgen zum Dienst melden und für mich kommt nur ein Flug in Frage, der nach elf Uhr vormittags startet. Also wird der Trip der nächsten Flugbegleiterin auf der Liste zugeteilt. Allerdings stellt sich heraus, dass sie nur zwei Tage fliegen darf, bevor sie drei Tage freihaben muss. Nummer drei hat schon mehr als vier Tage am Stück gearbeitet und darf nicht übernehmen, weil sie dadurch auf eine Gesamtzahl von sieben Diensttagen hintereinander käme. Nummer vier ist nicht auf dieser Maschine ausgebildet, deshalb kommt Nummer fünf an die Reihe. Die hat nun aber genau dasselbe Problem wie ich. Und so geht es immer weiter, bis man als Nummer fünfzehn auf der Liste um vier Uhr morgens aus dem Schlaf gerissen und auf einen 3-Tages-Trip geschickt wird, der in drei Stunden startet.
Wenn Sie das verwirrend finden, können Sie sich ungefähr vorstellen, wie es Georgia und mir ging, als wir versuchten, uns in die Abläufe eines so ungewöhnlichen Jobs einzuarbeiten, in dem noch dazu eine völlig eigene Sprache gesprochen wird, die weder Freunde noch Familie jemals verstehen werden, auch wenn wir sie ihnen noch so oft erklären. Dieses Leben war echt mies. Und dabei hatte es gerade erst richtig angefangen.
»Scheiße«, schrie Georgia, als das Telefon läutete. Es war Tag vier in New York, und wir waren offiziell auf Reserve. Keine von uns rührte sich. Stattdessen saßen wir auf unseren Betten und starrten uns mit angstvoll aufgerissenen Augen an, während es immer weiter läutete.
»Los, geh ran!«, befahl sie.
Ich schluckte, dann gehorchte ich widerstrebend. »Hallo?«
Die monotone Stimme sprach genau die Worte aus, vor denen ich mich den ganzen Tag gefürchtet hatte: »Hier spricht die Crew-Dispo für Flugbegleiterin Poole.«
Am nächsten Morgen stieg ich vor dem LaGuardia Airport aus einem alten weißen Minivan von Kew Gardens. Ich fühlte mich, als könnte ich Bäume ausreißen. Ich trug meine bequemen marineblauen Pumps, »airlinefarbene« Seidenstrümpfe sowie einen marineblauen Bleistiftrock, dessen Saum exakt anderthalb Zentimeter über dem Knie endete. Ich war extra eine Stunde früher aufgestanden, um mein Haar zu diesem todschicken Chignon-Knoten zu frisieren, genauso wie sie es mir an der Akademie beigebracht hatten. (Na ja, am Ende war es eher ein seitlich im Nacken sitzender Klops geworden.) Meine weiße Bluse war gestärkt und tadellos gebügelt, darüber trug ich einen schmalen marineblauen Blazer mit zwei Silberstreifen an den Handgelenken und einen blauen Trenchcoat. Zudem hatte ich mir einen roten Seidenschal lose um den Hals geschlungen, der fröhlich im Wind flatterte. Ich staunte, wie ein so schlichtes Stück Stoff mir ein solches Gefühl der Eleganz und Weltgewandtheit verleihen konnte – im Gegensatz zu der albernen Ansteckkrawatte, die ich bei Sun Jet hatte tragen müssen. Als ich darauf wartete, dass der Fahrer mein Gepäck auslud, fiel mir auf, wie ein paar Reisende beim Ausladen ihrer Koffer neugierig zu mir herübersahen. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber eine Uniform lässt die Leute immer aufmerken. Lächelnd winkte ich einem Kleinkind zu. Meine Ausbilder wären stolz auf mich gewesen.
Ich befestigte meine schwarze Handtasche am Griff meines Trolleys und holte tief Luft. Showtime! Zwei Sekunden später schwebte ich, bewaffnet mit mehreren Kugelschreibern, 20 Dollar Münzgeld, falls ich während des Flugs Wechselgeld brauchen sollte, und meinem Viva-Glam-Lippenstift von Mac in der Tasche durch die Schiebetüren. Auf dem Weg zur Zentrale kam ich an den Imbissständen vorbei, wo ein paar frühe Gäste die ersten Omelettes aus Trockenei und zähe Würstchen vertilgten. Ich war hypernervös. In weniger als anderthalb Stunden würde ich den ersten von drei aufeinanderfolgenden Flügen absolvieren: Zuerst ging es nach Chicago, dann weiter nach Denver und schließlich nach Austin. Ein Glück, dass ich als »Extra« eingeteilt war, denn in der Holzklasse kannte ich mich wenigstens aus.
Wie der Name bereits ahnen lässt, ist der oder die »Extra« ein zusätzlicher Flugbegleiter, der in letzter Minute gerufen wird, um die Crew zu unterstützen. Laut Vorgaben der FAA muss an Bord mindestens ein Flugbegleiter auf 50 Passagiere kommen. Diese Besetzung wird als
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