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»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

Titel: »Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Poole
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junge, attraktive und ein klein wenig geheimnisvolle Belegschaft als perfektes Marketingwerkzeug benutzen konnte. Heute bleiben Flugbegleiter entweder nur ein paar Monate bei der Stange oder aber ein ganzes Leben lang. Dazwischen gibt es nichts. Denn wenn sich in den ersten Monaten das ganze Leben um hundertachtzig Grad wendet, inklusive all der Schwierigkeiten, die das mit sich bringt, werden fast alle von Partner oder Familie zu einer Entscheidung gezwungen – entweder sie oder der Job. Neulinge müssen entweder kündigen oder dabei zusehen, wie ihre Beziehungen abstürzen und in Flammen aufgehen.
    An dem Tag, als Georgia mich auf der Türschwelle mit den schlechten Nachrichten empfing, steckte in meiner Blazertasche eine Cocktailserviette mit einer Telefonnummer für ein neues Crashpad darauf. Ich glaubte nicht an Schicksal. Das war etwas für Schwächlinge, für Zauderer, die herumsaßen und darauf warteten, dass etwas passierte, statt die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Deshalb war ich zu dem Schluss gelangt, dass Georgias Entscheidung nichts als ein kleiner Ausrutscher ihrerseits war, eine kurzfristige Verfehlung, die jederzeit wieder rückgängig gemacht werden konnte. Zumindest wenn es nach mir ging. Wäre ich an diesem Tag zu Hause gewesen, hätte sie garantiert nicht gekündigt. Ich wusste zwar, dass Jake, Jack, Jason oder wie auch immer er hieß, sie gewaltig unter Druck setzte, aber ich würde sicher nicht danebenstehen und seelenruhig zusehen, wie sie einfach das Handtuch warf. Ich war der festen Überzeugung, dass alles besser werden würde, wenn man eine Weile dabei war und ein paar Sprossen auf der Hierarchieleiter hinter sich hatte. Irgendwann musste es doch besser werden! Warum sonst sollte jemand jahrelang in diesem Job arbeiten? Und es war meine Aufgabe, Georgia genau das vor Augen zu führen.
    Kein Problem, dachte ich, griff zum Hörer und wählte die Nummer unseres Vorgesetzten am Flughafen LaGuardia. Als es läutete, reichte ich Georgia den Hörer.
    »Sag ihm einfach, du hast einen Fehler gemacht«, forderte ich sie auf.
    Georgia nahm den Hörer und legte ihn behutsam auf die Gabel zurück. »Ich habe keinen Fehler gemacht, Heather. Das ist genau das, was ich will. Ich denke schon eine ganze Weile darüber nach. Ich weiß, du kannst dir das nicht vorstellen, aber nicht jeder ist für diesen Job gemacht. Ich will nach Hause. Und ich habe die Papiere schon unterschrieben.«
    Ein Blick in Georgias strahlendes, rotwangiges Gesicht genügte, und ich wusste, dass sie Hilfe brauchte. Professionelle Hilfe. »Du spinnst. Du kannst nicht mehr klar denken.« Eilig wählte ich ein zweites Mal die Nummer unseres Vorgesetzten. »Sag ihm, du hättest unter Depressionen gelitten und nicht gewusst, was du da tust. Los, schnell, bevor er Feierabend macht.«
    Seelenruhig begann Georgia, Jeans und einen Stapel Pullis in einen offenen Koffer auf dem Fußboden zu legen. »Du verstehst das nicht. Du warst eben noch nie richtig verliebt.«
    »Entschuldige mal bitte!« Ich legte auf. Noch nie richtig verliebt? Ich hatte ihr doch alles von Brent erzählt. Na ja, fast alles …
    Das Einzige, was ich versehentlich-absichtlich unterschlagen hatte, war, dass Brent und ich uns letzte Woche … gewissermaßen versöhnt hatten. Als ich meinen ersten Flug nach Austin, Texas, zugeteilt bekam, blieb mir beinahe das Herz stehen. Denn dort lebte Brent, mein Ex-Freund. Dazu muss man wissen, dass wir uns nicht nur einmal, sondern gleich zweimal getrennt hatten; beide Male um den Valentinstag herum, wobei mir die Bedeutung dieses Tages aber völlig egal war. Zumindest redete ich mir das seit inzwischen knapp anderthalb Jahren ein. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb die Gefühle wie eine Woge über mir zusammenschlugen, kaum dass ich in Austin aus der Maschine stieg. Es war die blanke Hölle, ohne ihn in dieser Stadt sein zu müssen. Auf dem Weg ins Hotel kamen wir an all den Plätzen vorbei, wo ich früher mit ihm gewesen war. Damals, auf dem Beifahrersitz seines alten, ramponierten Toyota Corolla … Ich hörte Everything but the Girl auf meinem MP 3-Player, und auf einen Schlag kehrten alle Erinnerungen zurück. Als die letzten Töne von Missing verklangen, drückte ich die Wiederholungstaste und hörte das Lied, bis der Crew-Transporter vor dem Hotel in der Nähe der Sixth Street anhielt. Und ebenso wie Sängerin Tracy Thorn fand auch ich keine Ruhe, denn ich vermisste ihn, Brent, like the deserts miss the rain –

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