»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
wie die Wüsten Regen vermissten . Ich bezog mein Hotelzimmer und fand in der Nachttischschublade ein Telefonbuch. Eigentlich wollte ich nur nachsehen, ob sein Name drinstand. Mehr nicht. Ich wollte wissen, ob er noch in unserem alten Apartment wohnte. Tat er. Aus einem Impuls heraus griff ich nach dem Hörer und wählte die Nummer. Eigentlich wollte ich auflegen, sobald er abhob. Ich wollte nur seine Stimme hören. Mehr nicht. Was sollte schon passieren?
Als ich die vertraute Stimme »Hallo?« sagen hörte, erstarrte ich. Vielleicht schluckte ich, vielleicht sagte ich sogar »Hi«, keine Ahnung, jedenfalls saßen wir uns, ehe ich mich versah, am Nachmittag eines gewöhnlichen Arbeitstags auf zwei Hockern an einer Hotelbar gegenüber. Es war, als wäre ich in eine Zeitmaschine gestiegen. Ich beschwor mich die ganze Zeit, bloß nicht wieder auf ihn hereinzufallen. Mr Wrong verwandelte sich nicht wie durch ein Wunder plötzlich in Mr Right, ausgeschlossen. Doch eines führte zum anderen, und na ja, sagen wir mal so – ich hätte es wissen müssen. Doch als er sich zu mir herüberbeugte, um mich zu küssen, dachte ich: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach . In diesem Augenblick kam mir etwas sehr Kluges in den Sinn, das ich kurz vorher eine First-Class-Passagierin zu ihrer Sitznachbarin hatte sagen hören: »Er ist zumindest gut genug für den Moment.« Das Problem war nur, dass Brent sehr viel mehr als »gut genug für den Moment« war – Brent war eins achtzig groß, gebräunt, muskulös, sah unfassbar gut aus (ein bisschen wie das Topmodel Fabio, nur besser) und wäre um ein Haar im Stabhochsprung bei den Olympischen Spielen angetreten. An den Wochenenden spielte er mit seiner Band auf der Sixth Street. Die Frauen pilgerten aus der gesamten Umgebung in die Stadt, nur um ihn mit seiner roten Gitarre auf der Bühne zu sehen. Er war der personifizierte One-Night-Stand-Traum aller Texanerinnen, deshalb flogen wohl auch so viele Höschen auf die Bühne, wenn er dort oben abrockte. Und mit diesem Kerl war ich zwei Jahre lang zusammen gewesen. Ein Mann, von dem ich nicht im Traum gedacht hätte, ihn jemals kriegen zu können. Und der mir so viel bedeutet hatte, dass ich immer noch nicht ganz über unsere Trennung hinweg war.
Brent und ich hatten uns auf dem College kennengelernt und uns kurz nach meinem Abschluss getrennt, etwa um die Zeit, als ich wieder bei meinen Eltern eingezogen war. Sie lebten vier Autostunden entfernt und unterstützten mich finanziell, bis ich einen Job gefunden hatte. Drei oder vier Monate lang hatten wir abwechselnd die lange Fahrt auf uns genommen, um uns zu sehen, deshalb hatte ich geglaubt, es laufe eigentlich ganz gut zwischen uns. Aber eine Fernbeziehung ist nun einmal eine schwierige Angelegenheit, auch für mich. Und besonders schwierig für einen Mann, vor allem wenn ihm ein bildhübsches Mädchen in superknappen Hot Pants bei der Arbeit ständig auf die Pelle rückte. Wenn er nicht gerade Rekorde im Stabhochspringen brach oder mit seiner Gitarre auf der Bühne stand, arbeitete er als Personal Trainer. Im Grunde wundert es mich, dass unsere Beziehung überhaupt so lange gehalten hatte. Trotzdem dachte ich damals, ich würde nie über ihn hinwegkommen. Der Job half mir dabei, zumindest bis zu diesem Tag in der Woche zuvor, als ich erfahren hatte, dass ich nach Austin fliegen würde.
Georgia lag mit ihrer Behauptung, ich hätte keine Ahnung von der Liebe, von Trennungen und der Sehnsucht nach jemandem, von dem man besser die Finger lassen sollte, komplett daneben. Ich wusste ganz genau, was sie im Moment durchmachte, und es gefiel mir nicht, ganz und gar nicht!
»Ich fahre morgen nach Hause.« Georgias Worte rissen mich ins Hier und Jetzt zurück. Als sie aufstand und mich an sich drückte, wusste ich, dass es hoffnungslos war. Sie hatte sich entschieden.
»Du wirst mir fehlen«, sagte ich und wischte mir mit dem Handrücken eine Träne ab. »Versprich mir, dass wir in Kontakt bleiben.«
»Ach, Süße, aber natürlich verspreche ich das. Großes Ehrenwort.« Sie legte sich die Hand aufs Herz. In Georgias Welt gab es nichts Heiligeres als ein Ehrenwort, vom Bund der Ehe einmal abgesehen. »Du musst unbedingt zur Hochzeit kommen.«
Ich malte mir aus, wie ich in einem grauenhaften pastellfarbenen Brautjungfernkleid hochsprang und den Brautstrauß aus roten Rosen auffing, und dann sah ich mich in einem schlichten, schmal geschnittenen Kleid, mit einem namen- und
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