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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind
Autoren: Hans Fallada
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scharfen Blick des Bauern entgeht.
    Der eigentliche Thron mit der ungekünstelt einfachen Öffnung ist wie üblich. Wir möchten die Tür hinter uns schließen, bemerken aber, daß innen keine Befestigungsvorrichtung vorhanden ist. Wir lehnen die Tür an, aber ein Luftzug oder die schief stehenden Angeln öffnen sie wieder. In schon etwas ungeordneter Kleidung treten wir abermals auf die Schwelle, die Tür zu schließen, und stellen fest, daß gradeaus der Pferdeknecht, links die Frau am Fenster uns zusehen.
    Wir ziehen die Tür heran. Dabei schwören wir uns zu, sie nicht wieder aus der Hand zu lassen, und wir verstehen nun die Zweckmäßigkeit der Spalten, durch deren eine wir die Fingerspitzen stecken, die wir an der Außenseite der Tür wie ein Verschlußsiegel an- und umlegen. Mit der zweiten, der freigebliebenen Hand nesteln wir an unsern Kleidern. Wir haben Geduld und wir werden das uns gesteckte Ziel schon erreichen.
    Mittlerweile durchforschen unsere Augen eifrig durch die Risse den vor uns liegenden Hofraum, um etwaige Usurpatoren auf unsern Thron durch Räuspern, Gebrumm oder ein kurzes Besetzt rechtzeitig zu verjagen. Sind wir aber bei den Hofhunden, der Meute, beliebt, so haben wir noch eine andere |60| Prüfung zu bestehen. Diese beschäftigungslosen Tiere juckt eine unermeßliche Neugierde nach jeder Art unsers Tun und Lassens. Schwänzelnd und freundlich nähern sie sich unsrer Behausung und kratzen emsig an der Tür. Rufe wie: Ist schon gut! Geh nur wieder! sind verfehlt, sie nehmen das für eine Aufforderung zum Nähertreten und bohren so lange mit spitzer Schnauze zwischen Tür und Pfosten, bis sie mindestens den Kopf bei dir drin haben. Von außen bietet dieser Anblick viel Erheiterndes, selbst für solche, die binnen jetzt und einer Stunde in der gleichen Lage sein werden.
    Mittlerweile sind wir aber nun doch mit unserer Kleidung fertig geworden und lassen uns nieder. Ganz gelingt uns das freilich nicht. Die Verankerung unserer Hand im Türspalt, die Kürze unseres Armes zwingen uns zu einer halb schwebenden Haltung, die sich auf die Dauer in unsern Kniekehlen bemerkbar macht. Zugleich trifft uns ein kühler Luftzug von unten. Eine seltsame Laune – hier an diesem Ort ist schlechterdings an Zufälle nicht zu glauben – läßt die von uns besetzte Öffnung ähnlich wirken wie das Rund eines kräftig ziehenden Fabrikschornsteins. Im Sommer, bei milder Witterung, ist das noch erträglich, ja, vielleicht sogar erfrischend. Wenn aber der Boreas braust, wenn im Winter Schneestürme heulen, dann scheint ein wahrer Eisbärenwind diesen viel zuwenig abgehärteten Körperteil anzufauchen.
    Völlig prekär wird aber die Lage erst nach Beendigung der Verrichtung. Der fauchende Luftstrom treibt das Papier, das die Hand versenken möchte, brausend hoch zur Decke des Gemachs. Der Rettung suchende Geist gerät darauf, daß es notwendig wäre, mit der einen Hand das Papier zu versenken, mit der andern durch rasche Deckelauflage den Luftzug zu hemmen. Aber ach! der Unglückliche hat nur zwei Hände, er brauchte deren mindestens vier! Eine für die Tür, eine für die Kleider, eine für den Deckel, eine fürs Papier! Sein gequälter Geist erwägt fieberhaft, welche Position er am ehesten preisgeben kann.
    |61| Und so verlassen wir ihn. Viel zu lange haben wir hier schon geweilt, aber jetzt verstehen wir das Kopfschütteln des Besitzers besser, daß trotz all dieser Erschwernisse der Weg über die Feldsteinstufen noch immer dem schönsten Aufenthalt im Korn- oder Kartoffelfeld vorgezogen wird.
    Hinter der Scheune liegt der Komposthaufen. Bisher verwandelte sich hier der Inhalt der beiden Häuser in fruchttragende Erde. Nun hat das Buch über Japan eine Änderung herbeigeführt. Allwöchentlich einmal versenkt ein Bursche das Angefallene in den Teich. Nicht genug damit, verendete Schweine, krepierte Hühner, erschlagene Ratten wandern hinein. Der Teich schillert nun in Grün, Braun, Blau, Tiefschwarz. Eigentlich sind die Farben schön, aber wir haben keine Möglichkeit, sie recht zu betrachten, der Gestank des Stinkteichs vertreibt uns, er ist zu infernalisch. Er hüllt die beiden Häuslein ganz ein, ihr Besuch läßt nun endlich (wo es gar nicht mehr so nötig wäre) nach.
    Nur der Bauer Gäntschow steht manchmal tiefsinnig am Teichrand. Er findet den Geruch nicht schlecht, aber er findet es nicht richtig, daß es riecht. Nach dem japanischen Buch müßte es längst gären und geruchlos werden. Aber davon sind wir
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