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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind
Autoren: Hans Fallada
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noch weit entfernt. Und der Bauer beschließt, ein Rührwerk in den Stinkteich einzubauen. Mit einem langen Baume werden Burschen auf einer Achse angeordnete Schaufeln umtreiben, die die träge Masse in ständiger Bewegung halten werden. Der Bauer lächelt, da er dies Zukunftsbild sieht. Hilft aber auch das Rührwerk nicht, so wird er den Stinkteich ausmauern, er gibt nicht nach. Schließlich gibt er doch nach, er stirbt nämlich darüber, ehe die Geruchlosigkeit erreicht ist.
    Zwischen Stinkteich und Haus liegt der Garten. Er ist das einzige Stück Land auf dem großen Hof, das die Frauen unter ihrem Kommando haben. Der Hof ist hundertachtzig Morgen groß, das sind vierhundertfünfzigtausend Quadratmeter, der Garten ist sechshundert Quadratmeter groß. Diese Zahlen drücken ziemlich richtig die Wichtigkeit vom Bauern und seiner Frau aus.
    |62| Die Einteilung des Gartens liegt von alters her fest – wie er aber bestellt wird, das bleibt den einzelnen Frauen überlassen. Zu der Zeit, von der jetzt gesprochen wird, als des Johannes Gäntschow Mutter Bauersfrau auf dem Hofe war, Hedwig Gäntschow, geborene Düllmann, von den Düllmanns aus Dreege, da war der Garten, dessen Fläche durch zwei sich kreuzende Mittelwege in vier gleich große Stücke zerlegt war, zu einem Viertel mit Kartoffeln, zum zweiten Viertel mit Pferdebohnen bestellt. Das dritte Viertel ist zwiefach unterteilt, auf seiner einen Hälfte sind Erdbeeren gepflanzt, auf der andern stehen die gelben und roten Ruten der Himbeeren. Für den vierten Teil endlich scheint Arbeitskraft oder Zeit der Frauen nicht gereicht zu haben: er ist Wüste, blätterstilles Geheimnis, der Kern von Eden.
    Alle diese vier Teile sind von längst nicht mehr verschnittenem Buchsbaum eingefaßt, dessen buschiges Gestrüpp mit seinen lederartigen, wie gelackten Blättern und seinen zähen Zweigen keinen Schaden leidet, wenn ein Fuß ungeschickt hineintritt oder sich ein Kind zum Spielen auf die Rabatte setzt. Der Buchsbaum steht wieder auf und hält Richtung.
    Um den Garten herum aber läuft eine Schwarzdornhecke. Auch sie weiß schon lange nichts mehr von einer Gärtnerschere, sie ist weit über Mannshöhe gewachsen, eine wahre Wand, und ihre Zweige langen tief in den Garten.
    In diesem Bauerngarten nun, der nicht mehr als dreißig Meter in der Länge und zwanzig in der Breite mißt, ist auch den Blumen eine Stätte bereitet, ohne damit den Nutzpflanzen ihren Raum zu nehmen. Inmitten des Längswegs liegt kurz vor seinem Ende ein kleines rundes Beet, wieder von Buchs gesäumt. Wie eine Insel liegt es in dem ruhigen Strom des Gartenganges und zwingt ihn, der sich rechts und links an ihm vorüberpreßt, zu solcher Verengerung, daß der Schuh des Vorbeigehenden mit dem Buchs kämpft und mit Tautropfen übersät wird.
    Der bäuerliche Garten ist sechshundert Quadratmeter |63| groß, das Blumenbeet darin aber zwei – diese Zahlen drücken ziemlich richtig aus, wieviel Raum für die nutzlos schönen Dinge auf einem Bauernhof übrigbleibt.
    Dort aber nun, wo der Weg sein Ende erreicht, ist ein Ruheplatz bereitet mit einer kleinen Laube, die ganz von wildem Wein überzogen ist. Eine Bank aus Latten ist aufgestellt, und wer da sitzt, der hat grade vor sich das kleine Blumenbeet. Es wachsen keine Seltenheiten darauf: in der Mitte eine Rose, ein hartes Gewächs, das es nicht übelnimmt, wenn es nicht rechtzeitig gegen Frost verpackt wird. Und rundum, was eben von irgendwann ausdauerte, denn neu wird nichts gepflanzt: Iris, Brennende Liebe, Vergißmeinnicht und die großäugige Schwester des Gänseblümchens, das Tausendschönchen. Es macht nichts, wenn die Hände der Kinder die Blüten abbrechen, sie kommen im nächsten Jahre wieder.
    Übrigens sitzt nie einer auf der Bank, sieht nie einer nach den Blumen, dafür ist nie Zeit.
    Aber der Platz in dieser kleinen Laube ist noch viel heimlicher, als ihn Wein allein machen könnte. Nach hinten gegen das Feld zu deckt die Schwarzdornhecke, und rechts und links des heranführenden Wegs wächst hier an seinem Ende eine wahre Buschwildnis: Jasmin, Flieder, Hagebutten, Goldregen, Haseln und Schneebeeren. Sie wachsen auf jenem Beetabschnitt der Wüste, die blätterstilles Geheimnis, Kern von Eden genannt wurde. Sie verwehren jeden Einblick und sie sind im Vormarsch: ein kurzes Endchen begleiten sie schon den Buchsbaum des Erdbeerlandes.
    Es ist heimlich hier auf dem Platz, der Seewind mag noch so sehr brausen, seine letzten Ausläufer tauchen unter in
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