Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
Sachen, am ganzen Leibe zitternd, kunterbunt in den Korb, der Bauer faßte den einen Henkel, der Wirtschafter den andern. Es ging schweigend die Treppe hinunter, schweigend über den Hof, schweigend den Zufahrtsweg entlang, sie standen auf der Suhler Landstraße, unter dem Schild mit den verbetenen Besuchen.
    So! sagte der Bauer, drehte sich um, ging wieder auf den Hof, nahm die Schaufel, die an den Treppenstufen hingefallen war, und machte sich daran, nun selbst die Abzugsgräben zu öffnen.
    Es war übrigens der 24. Dezember und übrigens strengte auch der Wirtschafter Strehlin noch eine Klage gegen den Bauern an. Er gewann, und außer Prozeßkosten, nachgezahltem Gehalt, Kostgeld, Arztkosten hatte der Bauer Malte Gäntschow noch drei Tage Haft wegen Ungebühr vor Gericht abzumachen. Weil er auf den Vorschlag des Richters zu schiedlich-friedlicher Einigung erklärt hatte, die einzige schiedlich-friedliche Einigung sei für ihn, dem Kläger Strehlin vor Gericht fünfundzwanzig mit einem nassen Handtuch auf den Hintern zu versetzen. Denn die Dummheit muß bestraft werden!
    Das war also der Strehlin und die Abzugsgräben, die von ihm vernachlässigt wurden und nicht in den Stinkteich liefen, der aber damals noch kein Stinkteich war, es aber nun bald werden sollte. Denn dem Gäntschow, der, wie gesagt, gedruckte Bücher las, in denen dies und jenes aufgeschrieben ist, war ein Buch in die Hände gekommen über die Landwirtschaft in Japan.
    Dieses Land nun ist dicht bevölkert. Der Boden muß zwei Ernten im Jahre bringen und die Viehhaltung ist gering. Um nun sein Land bei so übermäßiger Ausnützung genügend zu düngen, ist der Japaner gewaltig auf die menschlichen Auswurfstoffe |58| erpicht. Es gibt Sonderschiffe, die die kostbare Ware von der Stadt aufs Land bringen. An der Straße stellt der Bauer Gefäße auf, errichtet kleine Hütten, von Tafeln gekrönt, die den Wanderer ermahnen, die gute Gottesgabe nicht lässig zu verstreuen, sondern dem Acker wiederzugeben, was der Acker spendete. Das so gewonnene Gut verwahrt der Landmann sorgsam dann in gemauerten Gruben. Fleißig gerührt, macht die Masse eine Gärung durch, um schließlich als geruchloser Dungstoff Mutter Erde neue Kraft zu spenden.
    Eine verwandte Saite erklingt in Malte Gäntschows Brust. Waren ihm nicht von je die städtischen Entleerungshäuser ein Greuel und ein Unverstand? Dem Boden spenden, was des Bodens ist, da liegt es! Keine langen Quackeleien, keine Umwege! Und doch stehen auch auf seinem Hof – gegen sein Herz! – zwei solcher Tempel. Ihm waren sie von je ein Dorn im Auge, aber die Weiber meinten ja, ohne sie nicht leben zu können.
    Da stehen sie, angeklebt an die Scheune, mit der Schmalseite dem Teich benachbart, und wir müssen uns einen Augenblick bei ihnen aufhalten. Recht tempelhaft führen drei breite gemauerte Feldsteinstufen zu ihnen empor, und die Türen sind mit einer scheußlichen braunroten Kalkfarbe getüncht. Das vorspringende Dach ist mit Teerpappe gedeckt.
    Ehe wir die Tür öffnen, stellen wir fest, daß sie nicht festgefugt ist. Sie weist zentimeterbreite Spalten auf, aber diese Spalten sind nicht unzweckmäßig, wie wir gleich merken werden.
    Wir öffnen die Tür und wir treten ein. Der enge, nicht unbehagliche Raum weist in seiner Ausstattung nichts Ungewöhnliches auf. Leuten mit scharfem Blick und raschem Verstand wird vielleicht die Kette mit dem Porzellangriff auffallen, die rechts vom Sitz niederbaumelt. Wasserspülung in einem Herzhäuschen auf einem Bauernhof? Sie ist eine Reliquie, diese Kette mit Griff, eine Erinnerung an jenen Tag, da der jetzige Bauer Käpten Düllmanns Tochter aus |59| Dreege heiratete. Zu keinem Spülungskasten führte die Kette, nein, eine Platzpatrone war eingeklemmt oben an jenem Tag, und wer selbstvergessen zog, zog ein in alle Hofräume donnerndes Signal, daß die Gesichter gegen die Fensterscheiben fuhren: wer ist nun fertig und wieder reingefallen? Sie fielen alle immer wieder darauf rein, alle Hochzeitsgäste – und die Jungen sorgten ja auch fleißig dafür, daß immer wieder eine neue Patrone oben hineinkam.
    Aber, wie schon gesagt, heute hängt die Kette leer, wer daran zieht, hört nur ein leichtes Klicks oben von der Spannfeder. Und es braucht auch keinen Donnernachweis mehr, damit der Bauer weiß, wer diesen verruchten Raum besucht. Der ist gut geweißt, und die unvermeidlichen Kalkspuren an den Kleidern sind wie eine notarielle Beurkundung über den Besuch, die nie dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher