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Wir hatten mal ein Kind

Wir hatten mal ein Kind

Titel: Wir hatten mal ein Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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alle Nebelzeiten erfüllte er mit seinem tiefen, urwelthaft traurigen Gebrüll, kommend, anschwellend, übermächtig, und langsam wieder schwächer werdend.
    Ein Bauer, der nur seinen Acker sieht, ein Bauer, der Regen und klaren Himmel nur nach seinen Feldern beurteilt, solch Landbauer wird eng, sorgenvoll, sein Blick haftet stets in der Nähe. Die Gäntschow-Bauern sind immer aufgestanden mit dem Blick auf die See, jeder Oststurm hat die rotschnäblige |12| Lachmöwe, die silberköpfige Heringsmöwe in kreischenden Scharen hinter seinen Pflug in die Furche auf die Engerlingsjagd geweht. Die Kähne der Fischer mit ihren düsterbraunen oder lohfarbenen Segeln haben immer irgendwo am Horizont gestanden – das hat gemacht, daß sie von der eigenen Arbeit aufsehen und in die Weite schauen konnten. Ein Bauer, der seinen eigenen Kahn im Wasser hat und der angeln geht, ein Bauer, der abends im Krug mit den Fischern zusammenkommt und nicht nur von Schweinefüttern und Kartoffeligeln, sondern auch von Dorschfang und Heringswaten reden kann, ein Bauer, der nicht nur Bauerstöchter, sondern auch Fischerstöchter, Kapitänstöchter (auf kleine Fahrt) erheiratet – solch Bauer kann ein Herr werden in seinem eingeborenen Königtum, ein wahrer Großbauer mit einer Meute Hunde – und nimmt sich doch nicht zu wichtig.
    Der Hof ist seit vielen hundert Jahren im Besitz der Gäntschows, sie haben hier immer gehaust und gepflügt, auf dem Friedhof in Kirchdorf liegen sie Grab an Grab. In den Flurbüchern heißt es oft Gäntschows Ort, Gäntschows Feld, Zu Gäntschows Bake.
    Man erzählt, daß früher, in grauen Zeiten, die Fiddichower alle zur See gefahren und Räuber gewesen sind, auf Sagitta liegen noch die grasigen Wälle ihrer Ringburg, in die sie sich mit Weib, Kind, Rind und Pferd vor dem Drängen ihrer Feinde flüchteten. Zum letzten Male bargen sie sich dort vor den Kriegerscharen des Herzogs Wisso, der ihnen die sanfte Lehre des Christentums brachte. Ausgehungert, ihrer Schiffe beraubt, vom Stahle bedroht, beugten sie sich vor dem Kreuz und nahmen die Lehre an. Doch erzählt die Sage, daß schon am Morgen nach der Tauffeier Herzog Wisso seinen weißen Kriegshengst vermißte. Man fand die Reste des herrlichen Tiers auf einem Opferstein bei einem kleinen Teich, der heute noch der Kehlteich heißt. Die neuen Christen hatten des Herzogs Lieblingstier zu ihres alten Gottes Ehren dahingeschlachtet. Ob sie es nun aus unverständigem Aberglauben getan hatten, um sich vor der Rache ihres alten Gottes zu |13| schützen, oder ob sie dem Herzog Wisso nur einen Streich hatten spielen wollen, gleichviel, ihr vornehmster Mann, Gunnar geheißen, verlor damals auf dem gleichen Opferstein am Kehlteich sein Haupt, diesmal als Sühnopfer für den neuen Gott.
    Dies sind alte Geschichten, von denen niemand mehr weiß, ob sie wahr oder erlogen sind, doch werden sie noch immer erzählt, besonders von den Gäntschows, die ihren Ursprung von diesem hingeopferten Gunnar herleiten. Sicher ist aber, daß Superintendent Marder und Kantor Bockmann behaupten, diese Geschichte könne schon wahr sein. Denn die Gäntschows seien noch heute die reinen Heiden, mit Saufen, Strandgutstehlen, Wildern und Huren. Und Malte Gäntschow, der Großvater, hat noch entschuldigend von sich gegrient: Wir sind ja man gestern erst Christen geworden, Herre. Das sitzt noch nicht so, Herre, wie bei Ihnen.
    Verbürgter schon, aber auch noch etwas sagenhaft und von Grauen umwittert ist die Geschichte jenes Urahns Gäntschow, der in seine eigene Tochter verliebt gewesen war und der darüber ein schreckliches Ende fand.
    Er hatte es nicht gewußt, daß er sie liebte, bis sie ihm gestorben war. Nun aber war sie tot und es schien ihm, als sei er mit ihr gestorben. Nie mehr würde er in dem dämmrigen Zimmer ihre schlanke schmale Gestalt sehen dürfen. Es war umsonst gewesen, von einem frischen Wind, einem raschen Tanz gesunde Rötung ihrer Bleiche zu erhoffen. Sie blieb nun auf ewig bleich, ihre schwarzen Zöpfe waren vergebens so schwarz gewesen, ihre schlanken Finger hatten sich nicht festhalten können auf dieser Erde. Sie war tot, er war tot, gut, das war das Ende.
    Nun recht, so sollte es auch das ganze Ende sein! Der Bauer war immer ein finsterer, rauher Mann gewesen, er sagte seiner Frau, daß sie fortzugehen hätte mit dem Jungen zu irgendwelchen Verwandten, daß er das Haus für sich allein brauchte – und nun blieb er allein.
    Er blieb allein in dem Haus, von dessen Fenstern

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