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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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eigene Hirn.
    Die Uhr schlägt elf. Hexensabbat. Durch das Fenster fällt Eisluft , streift die Gesichtshaut wie fremder Atem. Sie werden den Schlaf suchen , doch der Schlaf wird vor ihnen fliehen – falsch: den Tod . Es ist der Tod , den sie suchen und der flieht , wenn der Engel in die Posaune geblasen hat und die Zeit der großen Drangsal kommt.
    Herzflattern , Magendruck. Von unten das Surren des Aquarienfilters , glucksendes Wasser. Sonst hört man es nie.
    › Ich bin mir sicher , daß sie sich dort treffen und Teufelsmessen abhalten ‹ , hat Holzkamp gesagt. › Eigentlich sollte man mal hingehen. ‹
    Ferne Tierlaute , Motorengeräusche. Das Knarren des Gebälks.
    › Weißt du , was ein Sukkubus ist? Oder ein Inkubus? – Bei diesen Ritualen nehmen Dämonen männliche oder weibliche Gestalt an , je nachdem , was du gerade bevorzugst , und dann kannst du dich mit ihnen paaren , bis alles raus ist. Verlockend , nicht wahr? – Glaubst du , daß es das gibt , oder glaubst du es nicht? ‹
    Gegenüber wird eine Tür aufgerissen. Bruder Walters Stimme , halblaut und unverständlich bis auf das Wort »Strafdienst«. Hastige Schritte , Füße auf Steinboden. Es müßte das Zimmer des Franzosen sein. Wahrscheinlich hat er es mit jemandem gemacht. Schadenfreude. Wer könnte zu ihm unter die Decke gekrochen sein? Tagsüber ist niemand sein Freund. Angeblich hat er auch nackte Barbiepuppen im Bett liegen , um sich aufzugeilen. Es ist noch immer kein neuer Präses da , zu dem Bruder Walter sie schicken kann.
    Türenschlagen.
    Wenn stimmt , was der dicke Meier ihm im Vertrauen gesagt hat , müßten in jedem zweiten Zimmer welche aneinander herumfummeln.
    Verachtung , Haß: auf all die Halbschwulen , auf Holzkamp , der vor verkappter Gier platzt , aber seine dreckigen Phantasien über Kuffel ausschüttet. Auf Krantz , der den Mädchenartigen übers Haar streicht und die Häßlichen ohrfeigt. Großkreutz und seine Schicksen , denen es nur um das Körperliche geht in halbdunklen Hinterzimmern von Diskotheken , Nachtclubs. Rotes Licht , blaues Licht , flackernde Übergänge , Verschiebungen. Nebel , Dämmern , Hinweggleiten. Stücke von Leibern , ineinandergeschoben , verkrümmt , zuckend. Fingern , bumsen. Schmutz. Gossensprache. › Ist es schön für dich , es ist schön für mich. ‹ Ächzen. Samenflüssigkeit , glibberig und weiß. Der Geruch blühender Eschen. Und sie erkannten einander . Sie erkannten einander nicht. Nach dem Beischlaf ist das Tier traurig , und der Teufel lacht. Gut , Böse. Verdammnis , Heil. Es muß eine Möglichkeit geben , in den Bereich dahinter vorzudringen. Wo es nicht schmerzt. Notfalls mit Gewalt. Ein Befreiungsschlag. Die Grenze überschreiten. Aus dem Fenster springen oder jemanden töten. Einen von denen , die es verdient haben. Weil sie nichts sind. Um zu spüren , was es bedeutet. Sich ein für allemal von der Last befreien , gut zu sein. Wenn die Hölle sicher ist , hört die Furcht vor ihr auf. So wie die Furcht vor dem Tod endet , wenn man stirbt. Vielleicht gibt es sie dort auch: Sukkuben , Inkuben. Ohne Angst vor der Hölle ist es egal , was man tut. Lust , tiefer noch als Herzeleid. Auflösung , Auslöschung. Will tiefe , tiefe Ewigkeit. Dann bricht er auf der Straße zusammen , fällt wimmernd einer halbtoten Mähre um den Hals , überwältigt von Mitleid. Vegetiert dahin. Wegen einer verkeimten Hure , die ihn mit Syphilis angesteckt hat. Pferdefrauen , Leopardenfrauen. An der Straße von Forch nach Kerven steht ein Haus , wo sie warten , vierundzwanzig Stunden am Tag und in der Nacht , wenn man Geld hätte. Ihr Duft , ihre Anmut. Dreihundert Mark. Und Mut. Gestalten aus Luft und Feuer. Menschenwesen in Blütenwäsche , hingestreckt auf Diwanen , Chaiselongues , franzosenkrank , zwischen Samtvorhängen , Brokatkissen. Wechselstadien. Übergangsformen. Keine Gesichter. Wenn dort ein Gesicht wäre , ein Blick , der einen anschauen würde , geschähe vielleicht das Wunder. So aber Absplitterungen , Zersetzung. Wie im Zeitraffer verdunkelt sich der Himmel , wird das Schöne zuschanden , ohne daß es verhindert werden kann. Von niemandem. Finger dürr und zerbrechlich wie Zweige. Überlange Zähne , gefletscht , zum Biß entblößt. Nüstern , weit aufgebläht , übelriechender Atem. Unter durchscheinendem Fell treten Rippen hervor. Hautfalten , zerfurchte Öffnungen , glühende Geschlechtsteile , männlich und weiblich. Flammende Brauen , Haar wie Frauenhaar. Im Paradies war es

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