Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
der Gropiusstadt rundherum.
Ich musste mit irgendjemandem reden und rief bei Narkonon an. Da gab es eine Riesenüberraschung. Babsi war schon angekommen. Sie meinte es also auch tatsächlich ernst mit dem Entziehen. Sie erzählte, dass sie mein Bett bekommen hätte. Ich war irrsinnig traurig, dass ich nicht mit Babsi bei Narkonon war. Wir quatschten lange.
Als mein Vater zurückkam, sagte ich überhaupt nichts. Dafür laberte er umso mehr. Er hatte mein ganzes Leben schon ausgeplant. Ich bekam einen richtigen Stundenplan für jeden Tag. Haushalt, Einkaufen, seine Brieftauben füttern und ausmisten.
Er hatte einen Taubenschlag draußen in Rudow. Er wollte mich zwischendurch telefonisch kontrollieren. Für die Freizeit hatte er eine ehemalige Freundin für mich organisiert, die Katharina, ein echter Teenie-Bopper, der auf ZDF-Hitparaden und Ilja Richter abfuhr.
Belohnung versprach mir mein Alter auch noch. Er wollte mich mal mit nach Thailand nehmen. Er flog nämlich mittlerweile mindestens einmal im Jahr nach Thailand. Er war auf dem totalen Thailandtrip. Natürlich wegen der Bräute da, aber auch wegen der billigen Klamotten, die es in Thailand gab. Er sparte sein ganzes Geld für die Thailandtrips. Das war so seine Droge.
Ich hörte mir also die Pläne meines Vaters an und dachte, dass ich das erst mal so laufenlassen wollte. Mir blieb auch eigentlich nicht viel was anderes übrig. Wenigstens wurde ich nicht mehr eingesperrt.
Am nächsten Tag lief gleich volles Programm. Ich habe die Wohnung sauber gemacht, eingekauft. Dann kam auch schon Katharina, um mit mir spazieren zu gehen. Ich bin mit der wie wild rumgerannt, und als ich ihr sagte, dass ich noch nach Rudow müsste, um die Tauben zu füttern, da hatte sie keinen Bock mehr mitzukommen.
Ich war also frei für den Nachmittag. Ich war wahnsinnig geil darauf, irgendwas zu törnen, weil ich immer noch so mies drauf war. Ich wusste nicht genau, was. Ich dachte, ich könnte für eine Stunde auf die Hasenheide fahren. Das ist ein Park in Neukölln. Da war eine ganz coole Haschszene. Ich hatte Lust auf einen Joint.
Aber ich hatte kein Geld. Ich wusste, wo Geld war. Mein Vater sammelte in einer Riesen-Asbachflasche Silbergeld. Mehr als hundert Mark waren in der Flasche. Eine Reserve für den nächsten Thailandtrip. Ich schüttelte fünfzig Mark aus der Flasche. Ich wollte für alle Fälle etwas mehr nehmen. Den Rest konnte ich wieder reintun. Ganz auffüllen wollte ich sie dann wieder mit Geld, das ich beim Einkaufen irgendwie einsparen konnte. Dachte ich.
Auf der Hasenheide traf ich gleich Piet. Piet war der Junge aus dem Haus der Mitte, mit dem ich zum ersten Mal in meinem Leben Haschisch geraucht hatte. Er drückte inzwischen auch. Deshalb fragte ich ihn, ob es auf der Hasenheide auch schon H gebe.
Er fragte: »Hast du Kohle?«
Ich sagte: »Ja.«
Er sagte: »Komm mit.« Er brachte mich zu ein paar Kanaken und ich kaufte ein halbes Halbes. Zehn Mark behielt ich übrig. Wir gingen auf die Toilette vor dem Park, Piet lieh mir sein Besteck. Er war mittlerweile auch schon ein ziemlich abgewichster Fixer geworden. Ich musste ihm die Hälfte des Dopes für die Spritze geben. Wir machten uns beide einen kleinen Druck.
Ich war unheimlich gut drauf. Die Hasenheide-Szene war die coolste Szene in Berlin. Nicht so abgefuckt wie die H-Szene am Kurfürstendamm. Es war eben noch hauptsächlich eine Haschischszene. Aber es gab auch Fixer da. Hascher und Fixer lagen total friedlich nebeneinander. Auf der Kudammszene galt ja Haschisch als Babydroge und Hascher waren das Letzte. Kein Kudammfixer gab sich mit einem Hascher ab.
Auf der Hasenheide war es ganz egal, was für eine Droge man nahm. Man konnte auch total clean sein. Das spielte keine Rolle. Man musste eigentlich nur ein gutes Feeling mitbringen oder sich eben antörnen. Da waren Gruppen, die machten Musik auf Flöten oder Bongos. Und Kanaken lagen da auch rum. Alle waren wie eine große, friedliche Gemeinschaft. Mich erinnerte das ganze Feeling hier an Woodstock, wo es ganz ähnlich gewesen sein musste.
Ich war pünktlich wieder zu Hause, bevor mein Vater um sechs Uhr kam. Er merkte nicht, dass ich breit war. Ich hatte ein bisschen schlechtes Gewissen wegen der Tauben, die nichts zu fressen bekommen hatten. Ich wollte ihnen am nächsten Tag eine doppelte Portion geben. Ich dachte, dass ich in Zukunft kein H mehr nähme, weil ich auf der Hasenheide auch mit ein bisschen Haschisch gut draufkäme und auch als Hascher
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