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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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bin die Christiane, die Freundin von Stella und Babsi.« Bei ihm klingelte es dann und er fragte gleich, ob ich mitkommen wolle. Er bot mir zwei halbe Halbe. Er zahlte ja immer in Naturalien und das war das Angenehmste an diesem Freier. Zwei halbe Halbe waren nicht schlecht, umgerechnet immerhin 80 Mark. Ich handelte dazu noch Extrageld für Zigaretten, Cola und so raus und wir fuhren los.
    Auf der Szene am Lehniner Platz kaufte Heinz erst mal Dope, weil seine Vorräte aufgebraucht waren. Es war schon komisch, wie dieser Buchhaltertyp, der ein bisschen aussah wie der ehemalige Verteidigungsminister Leber, zwischen den Fixern rumschlich. Aber er kannte sich aus. Er hatte auch seine Stammdealerin, die ihm immer astreines Dope verkaufte.
    Ich war schussgeil, kam schon echt auf Turkey und hätte mir am liebsten gleich im Wagen einen Druck gemacht. Aber der Heinz rückte das Zeug nicht raus.
    Ich musste erst mal seinen Schreibwarenladen angucken. Er zog eine Schublade auf und holte Bilder raus. Die hatte er selber gemacht. Saublöde Pornos. Von wenigstens einem Dutzend Mädchen. Mal waren sie ganz drauf, nackend, mal auch nur ihr Unterleib im Ausschnitt. Ich dachte nur: Arme, blöde Sau. Und an den Frauenarzt dachte ich auch noch. Vor allem aber an das Dope, das dieser dämliche Freier immer noch in der Tasche hatte. Ich sah erst richtig drauf auf ein paar Fotos, als ich Stella und Babsi voll in action mit Heinz erkannte.
    Ich sagte: »Astreine Fotos. Nun lass uns aber mal machen. Ich brauche echt einen Druck.« Wir gingen rauf in seine Wohnung. Er gab mir ein halbes Halbes und brachte auch einen Esslöffel zum Aufkochen. Er entschuldigte sich, dass er keine Teelöffel mehr habe. All seine Teelöffel hätten irgendwelche Fixerbräute mitgehen lassen. Ich knallte mir das ganze halbe Halbe rein und er brachte mir eine Flasche Malzbier. Er ließ mir noch eine Viertelstunde Zeit. Er hatte genügend Erfahrung mit Fixern, um zu wissen, dass man nach dem Schuss eine Viertelstunde Ruhe braucht.
    Seine Wohnung sah nicht aus wie die Wohnung eines Geschäftsmannes. Babsi und Stella hatten immer gesagt, Heinz sei ein Geschäftsmann. In dem alten Wohnzimmerschrank hingen Schlipse und standen kitschiger Porzellankrimskrams rum und leere bastbezogene italienische Weinflaschen. Die Gardinen waren ganz gelb vor Dreck und zugezogen, damit niemand reinsehen konnte in die schmuddelige Wohnung. An der Wand waren zwei alte Sofas zusammengeschoben, auf denen wir es uns schließlich bequem machten. Keine Bettwäsche, nur eine alte karierte Wolldecke mit Fransen.
    Dieser Heinz war nicht mal unnett, nur leider war seine größte Stärke das Nerven. Er nervte mich echt so lange, bis ich richtig mit ihm schlief, um endlich meine Ruhe zu haben und nach Hause zu können. Er wollte eben unbedingt, dass ich auch was empfinde, und ich tat dann auch so, weil er ja nicht schlecht bezahlt hatte.
    Nach Stella und Babsi war ich nun die Stammbraut von Heinz. Ich fand ihn zunächst einfach praktisch, weil er mir viel Zeit sparte. Ich musste nicht stundenlang bei den Arabern rumhängen für einen lächerlichen Snief, ich brauchte nicht mehr am Zoo auf Freier zu warten, ich musste nicht mal mehr zur Szene, um Dope zu kaufen. Ich konnte also Haushalt, Tauben, Einkäufe und so weiter in der Zwischenzeit ganz gut erledigen.
    Ich war fast jeden Nachmittag bei Heinz und ich hatte auch eigentlich nichts mehr gegen ihn. Er liebte mich auf eine Art. Er sagte mir ständig, dass er mich liebe, und ich musste sagen, dass ich ihn liebe. Er war wahnsinnig eifersüchtig. Er hatte immer Angst, dass ich auch noch auf den Bahnhof gehe. Und er war irgendwie nett.
    Er war schließlich der einzige Mensch, mit dem ich mich noch ausquatschen konnte. Detlef im Knast. Bernd im Knast. Babsi bei Narkonon. Und Stella war wie vom Erdboden verschwunden. Meine Mutter wollte nichts mehr von mir wissen, dachte ich. Und meinen Vater musste ich ständig belügen. Jeder Satz, den ich ihm sagte, war irgendeine Lüge. Es gab nur Heinz, mit dem ich über fast alles reden konnte, vor dem ich keine Geheimnisse haben musste. Das Einzige, worüber ich mit ihm eigentlich nicht ehrlich sprechen konnte, war mein Verhältnis zu ihm.
    Manchmal, wenn Heinz mich in die Arme nahm, fühlte ich mich richtig wohl. Ich hatte das Gefühl, dass er mich respektierte und dass ich ihm was bedeutete. Wer respektierte mich sonst? Wenn wir nicht auf seiner schmuddeligen Couch waren, fühlte ich mich eher als die Tochter von

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