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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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ältesten Schlüpfer aus dem Wäschekorb aus dem Fenster. Das Ding landete in einem Gebüsch. Heinz lief erst weg und schlich dann doch wieder an, um sich die Unterhose zu angeln.
    Dieser Heinz war ein total kaputter und irrer Typ. Wie ich später erfuhr, lief schon seit fast drei Wochen ein Haftbefehl gegen ihn, als die Arie mit der Schnur lief. Die Bullen hatten nur noch keine Zeit gehabt, ihn abzuholen. Und sein Anwalt hatte ihm schon gesagt, wie schlecht es um ihn stand. Aber wenn es bei Heinz um Mädchen ging, rastete er total aus.
    Zu seiner Gerichtsverhandlung musste ich als Zeugin. Ich habe da die Wahrheit gesagt. Irgendwo war der Heinz mir so egal wie jeder andere Freier. Es fiel mir trotzdem nicht leicht, gegen ihn auszusagen, weil er mir leidtat. Er war jedenfalls nicht schlechter als die anderen Freier, die den Fixerinnen Geld gaben und genau wussten, dass die das zu Dope machten. Er war nur ein ärmeres Schwein, weil er regelrecht süchtig war nach jungen Mädchen. Ich glaube, er hätte eher zu einem Psychiater gehört als in den Knast. *
    Das Dope von Heinz reichte einigermaßen für die paar Tage, die mein Vater mich einschloss. Aus dem Entzug wurde also nichts. Als mein Vater die Wohnungstür den ersten Tag nicht abschloss, haute ich ab. Eine Woche war ich auf Trebe, bevor mein Vater mich fand und wieder mit nach Hause nahm. Ich wartete wieder, dass er mich schlug. Aber er war nur noch ein bisschen verzweifelter.
    Ich sagte ihm dann, dass ich das nicht schaffe allein. Man könne das nicht bringen, wenn man den ganzen Tag total allein sei. Babsi tot. Detlef im Knast. Stella im Knast. Ich erzählte ihm von Stella. Dass sie mit ihren vierzehn Jahren im Knast zu Grunde ginge. Ich hatte das von einem Mädchen gehört, das mit Stella in einer Zelle war und freigelassen wurde. Stella wollte sich ständig umbringen. Ihr einziger Halt waren die Terroristinnen, die im selben Knast waren. Stella hatte im Knast ein paarmal mit der Monika Berberich von der RAF gesprochen und war total auf die Frau abgefahren. Viele Fixer fanden die Terroristen unheimlich geil. Es gab auch Fixer, die hatten versucht, in eine Terrorgruppe reinzukommen, bevor sie mit H ausflippten. Und als dann die Schleyer-Entführung kam, törnte mich das auch irgendwie an. Ich war eigentlich gegen jede Gewalt. Ich hätte nie jemandem etwas tun können. Mir wurde schlecht, wenn ich Gewalt sah. Aber ich dachte dann, die von der RAF hätten vielleicht doch den Durchblick. Man könne diese Scheißgesellschaft nur mit Gewalt ändern.
    Meinem Vater ging die Geschichte mit Stella richtig an die Nieren. Er wollte sie schließlich aus dem Knast holen und adoptieren. Ich hatte ihm eingeredet, dass ich es mit Stella zusammen schaffen würde, clean zu werden. Das war dann auch eine letzte Hoffnung für ihn. Eine idiotische Hoffnung. Aber wie hätte er es besser wissen sollen? Mein Vater tat sicher nicht das Richtige die ganze Zeit, in der ich bei ihm war. Aber er tat eben, was er konnte. Wie meine Mutter.
    Mein Vater rannte dann dem Jugendamt die Bude ein und schaffte es tatsächlich, Stella aus dem Knast loszueisen. Sie war echt psychisch und körperlich am Ende. Sie war noch viel schlimmer drauf als in der Zeit vor dem Knast. Ich war noch nicht clean, als sie zu uns kam, obwohl ich mir das fest vorgenommen hatte, und brachte sie dann auch schon am ersten Tag wieder auf H. Sie hätte sowieso gleich wieder angefangen zu fixen. Wir redeten nur die ersten Tage noch ernsthaft von Entzug. Dann hatten wir schnell raus, wie wir meinen Vater zu zweit beinah perfekt ablinken konnten. Wir teilten uns alle Aufgaben. Auch das Anschaffen machten wir oft schichtweise. Zum Anschaffen gingen wir nur noch auf den Autostrich an der Kurfürstenstraße.
    Mir war alles so egal, dass ich keinen Horror vor dem Autostrich mehr hatte. Wir waren eine Clique von vier Mädchen auf der Kurfürsten-und Genthiner Straße. Außer Stella und mir die beiden Tinas. Die hießen zufällig beide Tina. Die eine von ihnen war noch ein Jahr jünger als ich. Also gerade erst vierzehn.
    Wir arbeiteten immer mindestens zu zweit. Wenn eine mit einem Freier wegfuhr, notierte sich die andere die Autonummer, so, dass der Typ das sehen musste, also gar nicht erst auf linke Touren kam. Das war auch ein Schutz vor Zuhältern. Vor Bullen hatten wir keine Angst. Die Streifenwagen fuhren vorbei und die Bullen winkten uns oft fröhlich zu. Einer von ihnen gehörte sogar zu meinen ständigen Freiern. Ein ganz

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