Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
Heinz und nicht wie seine Geliebte. Aber er nervte eben doch ganz schön. Und das wurde mit der Zeit immer schlimmer. Er wollte, dass ich ständig bei ihm war. Ich musste ihm im Geschäft helfen und sollte mich seinen sogenannten Freunden zeigen. Er hatte keinen einzigen richtigen Freund.
Der Zeitaufwand für Heinz brachte mich wieder ganz schön ins Schleudern. Denn mein Vater wurde immer misstrauischer.
Er schnüffelte ständig in meinen Sachen. Ich musste aufpassen, dass nichts Verdächtiges in seine Wohnung kam. Alle Telefonnummern und Adressen, die was mit meiner Rolle als Fixerin und Stricherin zu tun hatten, musste ich verschlüsseln. Heinz wohnte zum Beispiel in der Waldstraße. Da habe ich in mein Notizbuch ein paar Bäume gemalt. Haus-und Telefonnummer waren als Rechenaufgabe verschlüsselt. Die Telefonnummer 3954773 stand dann so da: 3,95 Mark plus 47 Pfennig plus 73 Pfennig. Das habe ich dann auch noch ganz ordentlich ausgerechnet. Ich löste also gelegentlich noch richtige Rechenaufgaben.
Heinz löste dann eines Tages das Geheimnis um Stella. Stella war im Knast. Ich hatte davon nichts mitgekriegt, weil ich ja überhaupt keine Zeit und keinen Grund mehr hatte, mich auf dem Strich oder auf der Szene rumzutreiben. Heinz war ziemlich geschockt von der Nachricht. Nicht wegen Stella. Jetzt hatte er plötzlich Angst vor den Bullen. Er hatte Angst, dass Stella über ihn auspacken könne. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, dass gegen Heinz schon seit längerem ein Ermittlungsverfahren lief. Wegen Verführung Minderjähriger und Ähnlichem. Das hatte ihn bisher ganz kalt gelassen, obwohl er schon vorbestraft war. Er meinte, er habe den besten Rechtsanwalt von Berlin. Aber dass Stella erzählen könnte, dass er die Mädchen mit Dope bezahlte, machte ihm schon Sorgen.
Ich war auch geschockt. Ich machte mir aber ebenfalls nicht zunächst Sorgen um die arme Stella, sondern um mich. Wenn sie Stella mit ihren vierzehn Jahren einlochten, dann war ich auch bei der nächsten Gelegenheit dran. Und auf Knast hatte ich nun überhaupt keinen Bock.
Ich rief bei Narkonon an, um Babsi die Neuigkeit zu erzählen. Ich telefonierte fast jeden Tag mit Babsi. Ihr gefiel der Entzug bei Narkonon so weit ganz gut. Sie war allerdings auch schon zweimal abgehauen, um sich zwischendurch mal einen Druck zu machen. Als ich nun bei Narkonon anrief, erzählten sie mir, dass Babsi im Westend-Krankenhaus sei. Gelbsucht.
Mit Babsi lief irgendwie immer das Gleiche wie mit mir. Kaum war man mal ernsthaft beim Entzug, kam eine Gelbsucht. Babsi hatte auch schon x-mal versucht zu entziehen. Das letzte Mal war sie sogar mit einem Drogenberater bis nach Tübingen gereist, um da in eine Therapie zu gehen. Im letzten Moment hatte sie dann doch noch Schiss gekriegt, weil das in Tübingen ein sehr strenger Laden war. Babsi war körperlich ebenso schlecht drauf wie ich. Wir haben uns immer gegenseitig sehr genau beobachtet. Die eine konnte an der anderen ziemlich genau sehen, wie weit sie schon runtergekommen war. Weil bei uns beiden immer ganz ähnliche Dinger liefen.
Ich fuhr am nächsten Vormittag gleich los, um Babsi im Krankenhaus Westend zu besuchen. Ich fuhr mit meinem Hund Janie bis zum Theodor-Heuss-Platz und dann rannten wir zu Fuß durch Westend. Das ist eine ziemlich geile Gegend. Irre Villen und jede Menge Bäume. Ich wusste gar nicht, dass es in Berlin so was gibt. Ich merkte, dass ich Berlin überhaupt nicht kannte. Alles, was ich in meinem Leben eigentlich bewusst gesehen hatte, Gropiusstadt und Umgebung, das kleine Viertel von Kreuzberg, in dem meine Mutter wohnte, und die vier Plätze, an denen die Szene war. Es regnete in Strömen. Janie und ich waren pudelnass. Aber wir beide waren sehr happy. Wir freuten uns über die vielen Bäume und ich freute mich vor allem auf Babsi.
Am Krankenhaus gab es erst mal wieder ein Problem, an das ich nicht gedacht hatte. Janie durfte natürlich nicht mit rein. Aber ein Pförtner war ganz dufte. Er nahm Janie so lange mit in sein Häuschen. Ich fragte mich zu der Station durch, auf der die Kranken liegen, und haute den erstbesten Arzt nach Babsi an. Der sagte: »Ja, das wüssten wir auch gern, wo die Babette ist.« Er erzählte, dass Babsi schon am Tag vorher abgehauen sei. Er sagte, es sei lebensgefährlich, wenn Babsi jetzt wieder mit irgendwelchem Rauschgift anfinge, weil die Gelbsucht noch nicht ausgeheilt sei und die Leber nicht mehr viel mitmache.
Ich ging mit Janie wieder zur U-Bahn. Ich
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