Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
ulkiger Kerl. Er wollte immer Liebe. Und es war immer wieder schwer, ihm zu erklären, dass Anschaffen Arbeit ist und nicht Liebe.
Das musste man auch anderen Freiern erklären. Die meisten wollten irgendwie auch mit mir quatschen. Erst mal kamen immer dieselben Sprüche. Wie ein so hübsches Mädchen wie ich auf die Straße käme? Ich hätte das doch wirklich nicht nötig und so. Das waren die Sprüche, die mich am meisten nervten. Dann wollten sie mich auch noch retten. Richtige Heiratsanträge bekam ich. Dabei wussten sie natürlich genau, dass sie nur das Elend der Fixer ausnutzten, um sich zu befriedigen. Irrsinnig verlogen waren diese Freier. Sie meinten uns helfen zu können und hatten selber genug Probleme, mit denen sie nicht fertigwurden.
Es waren meistens Typen, die sich nicht zu Profinutten trauten. Die überhaupt irgendwie Schwierigkeiten mit Frauen hatten und deshalb auf den Babystrich kamen. Sie erzählten, wie total frustriert sie seien von ihrer Frau und ihrer Familie und dem ganzen Leben, in dem sich nichts verändere. Manchmal schienen sie sogar ein bisschen neidisch zu sein auf uns, jedenfalls darauf, dass wir noch so jung waren. Sie wollten wissen, was bei der Jugend so modern war, welche Musik, welche Kleidung, welche Sprüche.
Ein Typ, schon an die fünfzig, wollte unbedingt mal Haschisch rauchen, weil er meinte, die jungen Leute rauchen alle Haschisch. Ich bin also für Extrageld mit ihm durch halb Berlin gegurkt, um einen Dealer aufzutreiben, der Haschisch hatte. Mir war das noch nie so aufgefallen, aber es war echt irre, an jeder Ecke gab es H und nirgends Shit. Um ein bisschen Haschisch zu kaufen, brauchten wir bald drei Stunden. Der Freier rauchte dann im Wagen einen Joint und war hinterher ganz selig, dass er einen Joint geraucht hatte.
Es gab komische und linke Vögel auf dem Autostrich. Einem musste man immer auf seine Stahlschiene im Bein klopfen. Die hatte er seit einem Motorradunfall. Einer kam mit einem Papier, das wie eine amtliche Bescheinigung aussah. Darin wurde mit Stempel bescheinigt, dass der Typ unfruchtbar war. Er wollte nur ohne Gummi. Der linkeste Typ behauptete, er sei von einer Modellagentur und wolle Probeaufnahmen machen. Im Auto zog er dann eine Pistole und forderte Service ohne Geld.
Am liebsten waren mir nachher noch die Studenten, die zu Fuß auf den Strich gelatscht kamen. Das waren ziemlich verklemmte Typen. Aber mit ihnen hatte ich noch Bock zu quatschen. Über diese Scheißgesellschaft. Das waren die Einzigen, mit denen ich auch auf die Bude ging. Mit den anderen machte ich es im Auto oder in einer Pension. Da kostete das Zimmer den Freier noch mal wenigstens zehn Mark. Und dann war da für uns auch noch eine Extraliege aufgestellt und das frisch bezogene Doppelbett durften wir nicht benutzen. Diese Pensionen waren echt das Tristeste.
Mit Stella verständigte ich mich immer durch verschlüsselte Sprüche, die wir an Litfaßsäulen oder leere Plakatwände schrieben. So wussten wir bei Schichtwechsel immer, was die andere gerade machte und was mein Vater sich wieder zu unserer Kontrolle ausgedacht hatte. Wenn mir auf der Kurfürstenstraße zum Heulen und Kotzen zu Mute war, ging ich manchmal in einen Laden, der sich »Teen Challenge« nannte. Die hatten sich also direkt an Sound und Kinderstrich eingenistet, um unsereins zu bekehren. In dem Laden bekam man Broschüren und Bücher über kleine Stricherinnen und Fixerinnen aus Amerika zu lesen, die von Teen Challenge auf den Weg zu Gott gebracht worden waren. Ich quatschte mich da aus, trank Tee und aß eine Schmalzstulle. Wenn sie dann anfingen, vom lieben Gott zu reden, haute ich ab. Im Grunde nutzten sie auch in diesem Laden die Fixerinnen nur aus, indem sie versuchten, uns für ihre Sekte zu keilen, wenn wir total am Ende waren.
Gleich neben dem Sektenkeller in der Kurfürstenstraße hatte eine kommunistische Gruppe ihren Laden. Ich las manchmal ihre Anschläge im Schaufenster. Die wollten also die Gesellschaft total verändern. Das gefiel mir. Aber ihre Sprüche halfen mir in meiner Situation auch nicht weiter.
Dann sah ich mir die Schaufenster der großen Möbelgeschäfte an, die an der Kurfürsten-und an der Genthiner Straße sind. Der Traum von der eigenen Wohnung mit Detlef kam wieder. Das brachte mich nur noch schlechter drauf.
Ich war nun so ungefähr auf der untersten Stufe einer Fixerkarriere angekommen. Wenn auf dem Autostrich nichts lief, machte ich auch Kriminelles. Kleine Dinger, weil ich
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