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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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auf Pille bist und den Durchblick hast und siehst, was für Scheißspießer in der U-Bahn sind. So ungefähr dachte ich. Auch auf späteren Trips. Dann bekam ich Angst vor den Fratzen. Ich sah Piet an. Der war auch irgendwie hässlicher als sonst. Sein Gesicht war ganz klein im Gegensatz zu den Schweinsgesichtern. Aber er sah irgendwie noch normal aus.
    Als wir in Rudow ausstiegen, war ich froh. Nun kam ich echt gut drauf. Alle Lichter waren wahnsinnig hell. Eine Straßenlampe über uns war heller, als ich die Sonne je gesehen hatte. In der U-Bahn hatte ich gefroren. Nun wurde mir richtig heiß. Ich dachte, ich sei irgendwo in Spanien und nicht in Berlin. Es war wie auf einem der schönen Plakate, die im Reisebüro der Gropiusstadt hingen. Die Bäume waren Palmen und die Straße Strand. Es war wahnsinnig hell. Ich sagte Piet nicht, dass ich drauf war. Ich wollte irgendwie allein sein auf diesem tierisch coolen Trip.
    Piet, der ja auch drauf war, sagte, wir könnten noch zu seiner Freundin gehen, wenn ihre Eltern nicht da seien. Er hatte eine Freundin, die er sehr liebte. Wir gingen in die Tiefgarage vom Haus seiner Freundin. Er wollte sehen, ob das Auto der Eltern da war. In der Garage kam ich ein bisschen auf Horror. Die niedrige Decke kam immer weiter runter. Sie bog sich richtig durch. Die Betonsäulen schwankten hin und her. Der Wagen der Eltern war da.
    Piet sagte: »Mann, ist das eine verdammte Garage hier.« Und dann dachte er wohl plötzlich, dass er allein drauf war, und fragte mich: »Na, wo hast du die Pille denn vorhin hingeschmissen?« Er sah mich an und sagte nach einer Weile: »Mensch, Mädchen, ich will ja nichts gesagt haben. Du hast ja Pupillen wie Saugnäpfe.«
    Draußen war es wieder schön. Ich setzte mich ins Gras. Eine Hauswand war so orange, als spiegelte sich gerade die aufgehende Sonne in ihr. Die Schatten bewegten sich, als ob sie überall dem Licht Platz machen wollten. Die Hauswand wölbte sich und schien plötzlich in Flammen aufzugehen.
    Wir gingen zu Piet nach Hause. Piet konnte unheimlich stark malen. In seinem Zimmer hing ein Bild von ihm. Da war ein unheimlich fettes Pferd drauf. Auf dem Pferd saß ein Skelett mit einer Sichel. Ich fuhr auf das Bild ab. Ich hatte es schon vorher ein paar Mal gesehen und nur gedacht, das sei der Tod. Nun erschreckte mich die Zeichnung überhaupt nicht. Ich hatte ganz naive Gedanken. Ich dachte, das Skelett kann diesen starken Gaul niemals beherrschen. Es hat schon die Gewalt über das Pferd verloren. Wir quatschten lange über das Bild. Piet gab mir dann noch ein paar Platten mit. Er sagte: »Das sind ungeheuer geile Abfahrten auf Trip und so.« Ich ging nach Hause.
    Meine Mutter war natürlich noch wach. Es gab das übliche Gelabere. Wo ich gewesen sei. Das gehe nicht so weiter. Und überhaupt. Meine Mutter kam mir unheimlich lächerlich vor. Dick und fett in ihrem weißen Nachthemd, das Gesicht ganz verzerrt vor Wut. Wie die Spießer in der U-Bahn.
    Ich sagte kein Wort. Ich redete sowieso nicht mehr mit ihr. Jedenfalls nur noch das Notwendigste und Belangloseste. Ich wollte von ihr keine Zärtlichkeit und keine Berührung. Ich bildete mir – jedenfalls manchmal – ein, ich brauche keine Mutter und keine Familie mehr.
    Meine Mutter mit ihrem Freund und ich, wir lebten ja mittlerweile auch in ganz verschiedenen Welten. Sie hatten nicht die geringste Ahnung von dem, was ich machte. Sie dachten wohl, ich sei ein ganz normales Kind, das eben in die Pubertät gekommen ist. Was hätte ich ihnen auch erzählen können? Die hätten ja doch nichts begriffen. Allenfalls verboten hätten sie. Dachte ich. Meine Mutter tat mir höchstens noch leid. Wie sie total gestresst von der Arbeit kam und sich auf den Haushalt stürzte. Aber ich dachte, die Alte hat ja selber Schuld, wenn sie so ein Spießerleben führt.

Christianes Mutter

    Ich habe mich oft gefragt, wieso ich nicht früher gemerkt habe, was mit Christiane los ist. Die Antwort ist einfach, doch ich konnte sie erst nach Gesprächen mit anderen Eltern ertragen, denen es mit ihren Kindern ähnlich ging: Ich wollte einfach nicht wahrhaben, dass meine Tochter rauschgiftsüchtig ist. Ich habe mir so lange wie möglich etwas vorgemacht.
    Mein Freund, mit dem ich seit der Scheidung von meinem Mann zusammenlebe, hatte schon frühzeitig einen Verdacht. Ich habe dann immer nur gesagt: »Was du dir bloß einredest. Sie ist ja noch ein Kind.« Das ist wahrscheinlich der größte Fehler, sich einzubilden, die Kinder

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