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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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gekommen, auf den Bahnhof zu gehen. Es war klar, dass ich mitkam. Außerdem freute ich mich, Bernd wiederzusehen.
    Bernd war gerade mit einem Freier unterwegs. Wir mussten warten. Der Bahnhof schien mir an diesem Abend gar nicht so schlimm, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Ich guckte meistens Detlef an. Als Detlef kurz mit einem anderen Jungen quatschte und ich einen Moment allein stand, machten mich irgendwelche Kanaken an. Ich hörte nur »sechzig Mark« oder so was. Ich hakte mich fest bei Detlef ein und fühlte mich unheimlich geborgen. Ich überredete Detlef noch, mit mir ins Sound zu gehen. Und dann, mir von seinem Dope einen kleinen Snief abzugeben. Er wollte natürlich erst nicht. Aber ich sagte ihm: »Nur heute Abend. Nur zur Begrüßung. Ich möchte so drauf sein wie du. Oder du machst dir auch keinen Druck.« Da gab er mir was.
    Er sagte, ich würde aber nie wieder etwas von ihm bekommen. Ich antwortete, das sei auch nicht nötig. Ich hätte schließlich zweieinhalb Monate bewiesen, dass ich nicht abhängig von H sei. Und in den letzten Wochen hätte ich echt gemerkt, dass es mir ohne H viel besser ginge.
    Das ging Detlef runter. Er sagte: »Kleines, ich hör auch auf. Was du bringst, das schaff ich mit links.« Er setzte sich seinen Druck, ich sniefte. Wir waren wahnsinnig happy und redeten darüber, wie wir ohne H zusammen glücklich sein würden.
    Am nächsten Mittag ging ich zum Bahnhof Zoo und traf Detlef. Ich bekam wieder einen Snief. Ich traf Detlef fast jeden Nachmittag nach der Schule auf dem Bahnhof. Ich setzte mir auch wieder den ersten Druck. Es war, als wäre ich nie aus Berlin weg gewesen, als hätte es für mich die zweieinhalb Monate ohne H gar nicht gegeben. Wir sprachen fast jeden Tag vom Aufhören und ich erzählte Detlef, wie leicht das sei.
    Oft fuhr ich direkt von der Schule zum Zoo. In meiner Tasche hatte ich ein Spritzbesteck und ein großes Paket mit Broten. Meine Mutter muss sich eigentlich gewundert haben, dass ich so viel Schulbrot mitnahm und immer dünner wurde. Ich wusste, Detlef und seine Freunde warteten schon auf das Mittagessen, das ich ihnen brachte.
    Zuerst war Detlef noch wütend, wenn ich auf den Bahnhof kam. Er wollte nicht, dass ich dabei war, wenn er anschaffen ging. Er sagte mir: »Ich will nicht, dass meine Freundin auf dem Zoo rumkriecht, wo das letzte Pack ist. Du kannst dich mit mir überall verabreden, aber komm nicht mehr auf den Bahnhof.«
    Ich hörte kaum hin. Ich wollte einfach bei Detlef sein, egal wo. Allmählich fühlte ich mich in der dreckigen Bahnhofshalle schon wohl, jedenfalls war mir alles vertraut. Diesen Gestank aus Pisse und Desinfektionsmittel roch ich nicht mehr. Die Stricher, die Bräute, die Kanaken, Bullen, Penner, Besoffene, die ganze Kotze, das war meine selbstverständliche Umgebung zwischen Mittag und Abend. Da gehörte ich hin, weil Detlef da war.
    Zuerst hat es mich angenervt, wie mich die anderen Mädchen anstarrten – von unten nach oben. Irgendwie noch aggressiver als die Freier. Dann spürte ich, dass die Mädchen, die auf dem Bahnhof anschaffen gingen, Angst vor mir hatten. Angst, dass ich als frische, knackige Ware auf dem Zoo ihnen die besten Freier wegschnappen würde. Klar, ich sah besser aus als die, war gepflegt, wusch mir die Haare fast jeden Tag. Mir sah noch niemand an, dass ich eine Fixerin war. Ich wusste, ich war den anderen Mädchen überlegen. Das gab mir ein gutes Gefühl. Die Freier wären nur so auf mich geflogen. Aber ich musste ja gar nicht anschaffen. Detlef machte das für mich. Wie die anderen mich beobachteten, mussten sie doch denken, was ist das nur für eine coole Braut, hat Dope, ohne anschaffen zu müssen.
    Die Freier machten mich anfangs noch wild. Vor allem die Kanaken mit ihrem ewigen: »Du bumsen? … Du Pension gehen?« Zwanzig Mark boten manche. Nach kurzer Zeit machte es mir dann echt Spaß, die Typen anzumachen. Ich sagte: »He Alter, du spinnst wohl. Unter fünfhundert kommt einer wie du bei mir sowieso nicht ran.« Oder ich habe den einfach ganz cool angeguckt und gesagt: »Bei mir läuft gar nichts, Alter. Hau ab.« Das gab mir schon ein gutes Gefühl, wenn die geilen Säue dann die Schwänze einzogen und sich davonschlichen. Ich war auch den Freiern überlegen. Wenn einer mal frech wurde oder mir sogar an die Wäsche wollte, war Detlef sofort da. Wenn Detlef mit einem Freier wegging, sagte er seinen Freunden, die auf dem Bahnhof anschafften, sie sollten auf mich aufpassen. Die waren wie

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