Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
Fixerbude.
Detlef war der Stärkste und ich der Schwächste in der Gruppe. Ich fühlte mich den Jungs unterlegen, körperlich, charakterlich, vor allem, weil ich ein Mädchen war. Aber ich genoss es zum ersten Mal, schwach zu sein. Ich genoss es, dass Detlef mir ein Gefühl dafür gab, wo es längsging. Dass Detlef, Axel oder Bernd immer da waren, wenn ich jemanden brauchte.
Ich hatte einen Jungen, der tat, was sonst kein Fixer machte: der jedes Päckchen H mit mir teilte. Der für mich Geld verdiente mit der miesesten Arbeit, die es gab. Er musste ein oder zwei Freier am Tag mehr machen, damit ich Dope hatte. Bei uns war alles anders. Der Freund ging auf den Strich für seine Freundin. Vielleicht waren wir das einzige Paar auf der Welt, bei dem das so rum lief.
Der Gedanke, selber anzuschaffen, wäre mir in diesen Wochen im Spätherbst 1976 ernsthaft nie gekommen. Das heißt, gedacht habe ich ein paar Sekunden schon mal dran. Wenn ich ein schlechtes Gewissen gegenüber Detlef hatte, der gerade für mich bei irgendeinem miesen Kerl war. Aber es war mir klar, dass ich von Detlef zum ersten Mal eine gescheuert bekommen hätte, wenn ich nur angedeutet hätte, ich wolle mit anschaffen.
Genaue Vorstellungen von dem, was beim Anschaffen geschah, hatte ich noch immer nicht. Jedenfalls dachte ich nicht darüber nach und wollte mir auch nichts vorstellen. Detlef redete nicht drüber. Den Gesprächen der drei Jungs entnahm ich, dass sie den Schwulen einen runterholen und das allenfalls französisch machten.
Ich glaubte, mit mir und Detlef hätte das nichts zu tun. Ich empfand jedenfalls keinen Ekel bei dem, was Detlef tun musste. Wenn er die Freier anfasste, das war nicht so schlimm. Das war seine dreckige Arbeit, ohne die wir kein Dope bekommen hätten. Ich wollte nur nicht, dass die Kerle Detlef anfassten. Denn er gehörte mir allein.
Zunächst fand ich einige Freier sogar ganz in Ordnung. Die Jungs sagten manchmal, der und der sei ganz in Ordnung, den solle man sich warmhalten, und ich übernahm das. Einige waren richtig nett zu mir, wenn sie mich mit Detlef auf dem Bahnhof trafen. Sie standen echt auf mich. Es ist so ein Ding, dass einige Schwule echt auf mich abfahren. Manchmal gab mir einer der Jungs zwanzig Mark und sagte, die seien von dem und dem Freier, der fände mich so nett. Detlef verriet mir nicht, dass einige dieser Typen ihn ständig belaberten, es ihnen doch mal mit mir zusammen zu machen.
Ich beobachtete auch die anderen Mädchen auf dem Bahnhof, fast alle halbe Kinder wie ich. Und ich sah, wie dreckig es ihnen ging. Vor allem denen, die auf H waren und deswegen anschaffen mussten. Ich sah ihnen den Ekel an, wenn sie ein Freier anquatschte, obwohl sie dann nett lächeln mussten. Ich verachtete die Freier. Was für Idioten oder perverse Säue mussten das sein, die da geil und feige durch die Bahnhofshalle schlichen und aus den Augenwinkeln nach frischem Kükenfleisch peilten. Was für einen Spaß konnten die daran haben, mit irgendeinem wildfremden Mädchen loszuziehen, das sich vor ihnen ekelte, dem das Elend doch anzusehen war.
Allmählich bekam ich dann auch auf die Schwulen einen echten Hass. Ich merkte langsam, was Detlef mit ihnen durchmachte. Er ging oft nur mit aller Kraft und Kotz und Ekel an die Arbeit. Wenn er nicht drauf war, konnte er sowieso nicht. Auf Turkey, also gerade dann, wenn er das Geld am notwendigsten brauchte, rannte er den Freiern weg. Dann machten Axel oder Bernd für ihn einen Freier. Mit aller Kraft und Kotz und Ekel. Auch die beiden konnten nur, wenn sie vorher einen Druck gehabt hatten. Es nervte mich unheimlich, dass die Schwulen Detlef hinterherliefen. Sie stotterten, während ich danebenstand, komische Liebesschwüre und steckten ihm Liebesbriefe zu. Es waren alles verdammt einsame Typen, die Detlef belaberten. Aber Mitleid konnte ich nicht mit ihnen haben. Ich hätte sie am liebsten angeschrien: »Mensch, Alter, begreifst du nicht, Detlef gehört mir und sonst niemandem und schon gar keiner schwulen alten Sau.« Aber gerade diese Typen brauchten wir, weil sie Kohle brachten, weil man sie ausnehmen konnte wie Weihnachtsgänse.
Ich merkte dann, dass auf dem Bahnhof Männer rumliefen, die kannten Detlef ganz intim, viel intimer als ich. Mir war zum Kotzen. Und als ich aus einem Gespräch der drei Jungen heraushörte, dass einige Freier erst zahlten, wenn auch der Stricher einen Orgasmus gehabt hat, da rastete ich fast aus.
Ich sah Detlef immer weniger, denn er war
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