Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
Körper immer mehr anschwollen, und dann platzte die Haut an einigen Stellen regelrecht. Es war so widerlich und dauerte fast eine Stunde.
Als er endlich fertig war, habe ich mir mein T-Shirt angezogen und bin gerannt. Ich bin zur Wohnungstür rausgerannt, die Treppe runter und habe es gerade noch geschafft. Vor dem Haus konnte ich meinen verdammten Magen nicht mehr unter Kontrolle halten und musste mich übergeben. Nachdem ich gekotzt hatte, war alles vorbei. Ich habe nicht geweint, ich hatte auch nicht die Spur von Selbstmitleid. Irgendwie war es mir schon ganz klar, dass ich mich selber in diese Situation gebracht hatte, dass ich eben in der Scheiße war. Ich ging zum Bahnhof. Detlef war da. Ich erzählte nicht viel. Nur, dass ich den Job mit Stotter-Max allein gemacht hätte. Ich zeigte ihm die hundertfünfzig Mark. Er pulte einen Hundertmarkschein aus den Jeans, die er mit seinem Freier gemacht hatte. Wir gingen Arm in Arm zur Szene und kauften uns reichlich Dope. Astreinen Stoff von unserem Stammdealer. Es wurde ein ganz cooler Tag.
Von nun an verdiente ich mir das Geld für mein Dope meistens selber. Ich hatte einen unheimlichen Schlag bei den Freiern auf dem Bahnhof und konnte mir aussuchen, mit wem ich ging, und auch die Bedingungen festlegen. Grundsätzlich ging ich nicht mit Kanaken, also mit Ausländern. Das war für alle Bräute auf dem Bahnhof das Letzte. Die Kanaken, sagten sie, das seien oft ganz linke Schweine, hätten kein Geld, zahlten meist nur zwanzig oder dreißig Mark, wollten immer dafür richtig bumsen, und das ohne Fromms.
Mit Freiern bumsen kam für mich auch weiter nicht in Frage. Das war das letzte bisschen Intime, das ich nur Detlef gab. Ich machte es mit der Hand und dann auch französisch. Es war eben nicht so schlimm, wenn ich was mit den Freiern machte, aber sie nicht mit mir. Sie durften mich vor allem nicht anfassen. Wenn sie das versuchten, rastete ich aus.
Ich versuchte die Bedingungen immer gleich auf dem Bahnhof auszuhandeln. Mit Typen, die mich von vornherein anstanken, verhandelte ich gar nicht erst. Mein letzter Rest Stolz kostete mich allerdings viel Zeit. Es dauerte oft den ganzen Nachmittag, bis ich einen Freier gefunden hatte, mit dem alles O.K. war. Und so viel Geld wie an dem Tag, an dem ich das erste Mal bei Stotter-Max war, hatten wir selten.
Stotter-Max wurde nun der gemeinsame Stammfreier von Detlef und mir. Manchmal gingen Detlef und ich zusammen zu ihm, manchmal auch einer von uns allein. Stotter-Max war eigentlich ganz in Ordnung. Er liebte jedenfalls uns beide. Er konnte natürlich nicht weiter hundertfünfzig Mark bezahlen von seinem Hilfsarbeiterlohn. Aber vierzig Mark, das Geld für einen Schuss, kratzte er immer irgendwie zusammen. Einmal haute er sogar sein Sparschwein kaputt und holte aus einer Schüssel noch Groschen und zählte mir dann genau vierzig Mark vor. Wenn ich in Eile war, konnte ich auch bei ihm schnell mal vorbeigehen und zwanzig Mark abkassieren. Ich sagte ihm, dass ich morgen um soundso viel Uhr wiederkäme und ich es ihm dann für einen Zwanziger machen würde. Wenn er noch einen Zwanziger hatte, machte er mit.
Stotter-Max wartete immer auf uns. Für mich stand immer mein Lieblingsgetränk, Pfirsichsaft, bereit. Für Detlef war immer sein Leibgericht Grießpudding im Eisschrank. Stotter-Max kochte den Pudding selber. Außerdem bot er mir immer eine Auswahl Danone-Joghurt und Schokolade an, weil er wusste, dass ich das gern nach dem Job aß. Die Prügelei war für mich zur reinen Routinesache geworden und hinterher aß, trank und quatschte ich noch ein bisschen mit Stotter-Max.
Der wurde immer magerer. Er investierte wirklich die letzte Mark in uns und konnte sich selber nicht mehr genug zu fressen kaufen. Er hatte sich so sehr an uns gewöhnt und war so happy, dass er kaum noch stotterte, wenn er mit uns zusammen war. Er kaufte sich immer gleich morgens ein paar Zeitungen. Nur um zu sehen, ob da wieder eine Meldung über einen Herointoten drin war. Als ich einmal zu ihm kam, um einen Zwanziger abzustauben, stotterte er wahnsinnig und war richtig bleich. In den Zeitungen hatte an dem Tag gestanden, dass ein Detlef W. das soundsovielte Heroinopfer des Jahres sei. Er weinte beinah vor Freude, als ich ihm sagte, dass ich meinen Detlef gerade noch ziemlich lebendig gesehen hätte. Er quatschte wie so oft auf mich ein, wir sollten doch die Finger vom Heroin lassen, sonst würden wir auch sterben. Ich sagte ihm eiskalt, wenn wir mit H
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