Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
Stammfreier. Er hatte einen Schreibwarenladen. Ich hatte auch schon von ihm gehört. Eben, dass er ein ganz cooler Freier war, weil er direkt H gab und man sich das ganze Rumgerenne sparte. Ich war echt neidisch auf Babsi, die abends spätestens um acht zu Hause war, immer ausschlafen konnte und ohne die ganze annervende Hektik lebte.
Babsi hatte alles. Sogar reichlich Bestecke. Diese Spritzen, die ja eigentlich nur einmal gebraucht werden sollten, waren damals schon ziemlich schwierig zu kriegen. Meine war schon wieder so stumpf, dass ich sie immer an der Reibefläche einer Streichholzschachtel anspitzen musste, damit das Ding überhaupt noch in die Vene reinzuwuchten war. Babsi hatte reichlich Spritzen. Sie versprach mir gleich drei Pumpen und drei Kanülen.
Ein paar Tage später traf ich dann auch Stella auf dem Bahnhof, Babsis Freundin, die damals zusammen mit ihr auf Trebe gewesen war und noch vor ihr mit dem H-Probieren angefangen hatte. Umarmung, Küsschen, urische Freude. Stella war mittlerweile natürlich auch drauf. Ihr ging es nicht so gut wie Babsi. Ihr Vater war ja zwei Jahre vorher bei einem Wohnungsbrand ums Leben gekommen, ihre Mutter hatte zusammen mit einem italienischen Freund eine Kneipe aufgemacht und das Trinken angefangen. Stella hatte immer aus der Kneipe Geld für Dope mitgehen lassen. Als sie dem Freund ihrer Mutter fünfzig Mark direkt aus der Brieftasche klaute, kam das raus. Sie traute sich jetzt nicht mehr nach Hause und war wieder auf Trebe.
Wir redeten in den Bahnhofsterrassen ganz automatisch gleich über Freier. Stella klärte mich erst mal über ihre beste Freundin Babsi auf. Die sei also total runtergekommen. Ihr Heinz sei nämlich ein ganz mieser Typ. Ein mieser, alter, fetter, schwitziger Kerl, mit dem Babsi echt bumse. Stella sagte: »Das wäre das Letzte für mich. Mit so jemandem bumsen. Überhaupt bumsen mit einem Freier. Da kann man gleich auch mit Kanaken gehen. Also mal einen blasen, okay. Aber Bumsen ist echt das Letzte.«
Ich war auch richtig erschüttert, wie weit es mit Babsi gekommen war. Ich hatte im Moment nicht den Durchblick, um zu checken, wieso Stella mir das erzählte. Ich erfuhr erst später von Babsi, dass der Heinz vorher Stellas Stammfreier gewesen war. Daher wusste Stella also so genau, was der für drei halbe Halbe verlangte. Ich sollte es später noch am eigenen Leib erfahren.
Stella sagte in den Bahnhofsterrassen dann zu mir, sie fände es eigentlich das Letzte, auf dem Zoo anschaffen zu gehen: »Da sind doch sonst nur die abgefucktesten Bräute. Und Kanaken-Freier. Das käme für mich nicht in Frage, ständig von diesen dreckigen Kanaken angemacht zu werden.«
Stella ging auf den Autostrich, auf den Babystrich an der Kurfürstenstraße. Da waren fast nur Fixerinnen und vor allem die Dreizehn-, Vierzehnjährigen. Ich hatte einen urischen Horror vor dem Autostrich, wo man kaum noch kontrollieren konnte, zu wem man in den Wagen stieg. Und ich sagte: »Der Autostrich ist doch nun echt das Letzte. Da machen sie es doch für zwanzig Mark. Zwei Freier für einen Druck, das würde ich echt nicht bringen.«
Wir stritten uns bald eine Stunde darüber, ob man auf dem Kinderstrich am Zoo oder auf dem Kinderstrich in der Kurfürstenstraße weiter runtergekommen sei. Zwischendurch einigten wir uns darauf, dass Babsi eigentlich schon das letzte Stück Mist sei, wenn sie mit diesem Kerl bumste.
Mit Streit um unsere Stricherehre fing das Wiedersehen an. Das war ein Streit, den Babsi, Stella und ich in den nächsten Monaten fast jeden Tag fortsetzten. Es ging immer darum, wer von uns schon am tiefsten in der Scheiße steckte. Jeder wollte sich vor den anderen beweisen, dass er noch nicht ganz so weit abgesackt war. Wenn wir zu zweit zusammen waren, redeten wir schlecht über die Dritte.
Das Größte war es natürlich, ohne Freier über die Runden zu kommen. Stella und ich redeten uns am ersten Tag unseres Wiedertreffens ein, wir könnten es ohne Freier schaffen. Wir wollten die Kohle mit Schlauchen und Klauen zusammenkriegen. Stella hatte da eine ganze Menge Tricks auf Lager.
Wir gingen gleich ins Kadewe, das Kaufhaus des Westens, um einen Supertrick auszuprobieren. Der läuft auf den Damenklos. Man wartet, bis ein paar Omas in den Klos verschwinden. Die hängen dann drinnen meistens ihre Handtaschen an die Türklinken. Wenn sie sich nun aus ihren Korsetts gepellt haben und auf der Brille hocken, drückt man von draußen blitzschnell die Türklinken. Die
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