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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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die Aggressivität, die sich da aufstaute, auch untereinander nicht mehr unter Kontrolle halten.
    Am besten verstand ich mich noch mit Babsi, die auch noch die Ruhigste von uns war. Wir gingen oft zusammen anschaffen. Wir kauften uns die gleichen engen schwarzen Röcke, bis zum Po geschlitzt. Darunter trugen wir schwarze Strumpfhalter mit Strapsen. Darauf fuhren die Freier echt ab. Schwarze Strumpfhalter mit Strapsen und dazu unsere noch ziemlich kindlichen Figuren und unsere Kindergesichter.
    Kurz vor Weihnachten 1976 fuhr mein Vater in Urlaub und Babsi und ich durften zusammen mit meiner Schwester in seiner Wohnung schlafen. Wir stritten uns gleich am ersten Abend in der Wohnung meines Vaters total. Babsi und ich machten uns so ordinär an, dass meine ein Jahr jüngere Schwester anfing zu weinen. Wir hatten schon richtig die Strichersprache drauf, wenn wir uns gegenseitig fertigmachten. Und meine Schwester hatte natürlich keine Ahnung von unserem Doppelleben.
    Am nächsten Morgen waren Babsi und ich wieder die dicksten Freunde. Das war immer so: Wenn man ausgeschlafen war und so langsam runterkam vom H, war man meistens in einer ziemlich friedlichen Stimmung. Babsi und ich machten aus, dass wir uns nicht sofort den Morgen-Druck setzen, sondern das möglichst lange rausschieben. Wir hatten das schon öfter ausprobiert. Es war ein richtiger Sport, mit dem Druck so lange wie möglich zu warten. Aber wir redeten über nichts anderes als über den tierischen Druck mit dem astreinen Dope, den wir uns irgendwann machen würden. Wir waren echt wie zwei Kinder am Heiligabend kurz vor der Bescherung.
    Meine Schwester kriegte dabei natürlich was mit. Sie wusste bald, dass wir irgendein Rauschgift hatten. Aber sie hatte natürlich keine Ahnung, dass wir süchtig waren. Sie dachte, wir probieren was aus. Und sie versprach hoch und heilig, meinem Vater oder meiner Mutter nichts zu erzählen und auch dichtzuhalten, falls von Babsis Familie jemand unverhofft aufkreuzen sollte. Babsi wurde ja ziemlich streng behandelt und weder ihre Großeltern noch ihre Eltern hatten den leisesten Schimmer, dass sie heroinsüchtig war und auf den Strich ging.
    Babsi holte ihr Quarkfein, Erdbeergeschmack, aus der Plastiktüte. Sie hatte einen echten Tick mit ihrem Quarkfein, so einem Zeug, das man in Quark rührt. Sie lebte fast nur von Quark mit Quarkfein. Ich aß kaum abwechslungsreicher: außer Quark noch Joghurt und Pudding und Wiener Kringel, die es am U-Bahnhof Kurfürstendamm gab. Was anderes behielt mein Magen schon nicht mehr bei sich. Babsi machte also in der Küche ihr Quarkfein an. Das war wie eine heilige Handlung. Meine Schwester und ich saßen andächtig drum herum und wir freuten uns alle urisch darauf, ein riesiges Quarkfein-Frühstück einzumampfen. Klar, dass das Frühstück erst beginnen sollte, wenn Babsi und ich uns den Druck gesetzt hatten.
    Als Babsi den Quark richtig schön sahnig geschlagen hatte, hielten wir es nicht mehr aus. Wir sagten meiner Schwester, sie solle schon den Tisch schön decken, und schlossen uns im Badezimmer ein. Kaum waren wir drin, fing das Drama zwischen uns wieder an, weil wir allmählich auf Turkey kamen.
    Wir hatten nur noch ein brauchbares Besteck und ich sagte, dass ich mir schnell als Erste den Druck setzen wollte.
    Babsi war sofort auf 180: »Wieso eigentlich immer du. Heute bin ich mal die Erste. Ich hab schließlich auch das Drope rangeschafft.«
    Das nervte mich nun echt an. Ich konnte es schon gar nicht haben, wenn sie Vorteile daraus zu ziehen versuchte, dass sie oft mehr Dope als wir hatte und was ausgab. Ich sagte: »Hör mal zu, Alte, bei dir dauert es doch eine Ewigkeit. Mach keinen Fez.« Es war wahr. Diese Frau brauchte oft eine halbe Stunde, bis sie so weit war. Sie hatte kaum Venen. Und wenn sie das erste Mal zustach und anzog und es kam kein Blut, dann flippte sie aus. Sie stach sich sinnlos die Nadel in die Haut und wurde immer hektischer. Da half ihr echt nur noch ein Glückstreffer.
    Bei mir ging es damals noch ganz gut. Wenn nicht Detlef mir den Schuss gemacht hat – er war der Einzige, der an meine Venen randurfte –, dann habe ich zu dieser Zeit immer auf einen Punkt in der linken Armbeuge gedrückt. Das ging so lange gut, bis ich da eine Thrombose hatte und alles richtig verknorpelte. Später wusste ich dann auch kaum noch, wohin stechen.
    An diesem Morgen setzte ich mich also durch. Babsi war total sauer, ich kriegte die Spritze, traf sofort und war nach kaum zwei

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