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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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Geld zurück wollten und es sich manchmal auch mit Gewalt nahmen, weil sie angeblich nicht zufrieden waren. Mit solchen Miststücken hatten die Jungen allerdings mehr Ärger als wir.
    Irgendwann fing das Jahr 1977 an. Ich habe die Zeit kaum registriert. Ob es Winter war oder Sommer, ob nun Weihnachten gefeiert wurde oder Silvester, für mich war ein Tag wie der andere. Das Besondere an Weihnachten war allenfalls, dass ich wieder Geld geschenkt bekam und deshalb ein oder zwei Freier weniger machen musste. Es war ohnehin kaum möglich, über die Feiertage Freier zu finden. Ich war total abgestumpft in dieser Phase. Ich dachte nicht nach. Über nichts. Ich nahm nichts mehr wahr. Ich war total auf mich fixiert. Aber ich wusste nicht, wer ich war. Ich wusste manchmal auch nicht, ob ich überhaupt noch lebte.
    Ich kann mich kaum noch an Einzelheiten aus dieser Zeit erinnern. Es gab wohl auch nichts, was es wert gewesen wäre, in den grauen Zellen gespeichert zu werden. Bis zu einem Sonntag Ende Januar 1977. Ich kam irgendwann am frühen Morgen nach Hause. Ich hatte eigentlich ein ganz gutes Feeling. Ich lag im Bett und stellte mir vor, ich sei ein junges Mädchen, das vom Tanzen kommt und einen unheimlich niedlichen Jungen kennengelernt hat und nun richtig verknallt ist. Ich bekam nur noch ein gutes Feeling, wenn ich träumte und in dem Traum jemand ganz anderes war. Am liebsten träumte ich eben, dass ich ein fröhlicher Teenager war, so fröhlich wie auf einer Coca-Cola-Reklame.
    Mittags weckte mich meine Mutter und brachte mir das Mittagessen ans Bett. Wenn ich sonntags zu Hause war und nicht bei Detlef, brachte mir meine Mutter immer das Essen ans Bett. Ich würgte ein paar Bissen runter. Ich kriegte eigentlich gar nichts mehr runter außer Joghurt, Quark und Pudding. Dann griff ich mir meine weiße Plastiktüte. Die Plastiktüte war schon ziemlich zerfetzt, keine Griffe mehr, überall eingerissen, weil ich zu Spritze und Roth-Händle manchmal noch meine Jacke da reinknüllte. Mir war alles so gleichgültig, dass ich nicht mal daran dachte, mir eine neue Plastiktüte zu besorgen. Ich war zu gleichgültig, um mir etwas dabei zu denken, als ich mit der Plastiktüte an meiner Mutter vorbei in das Badezimmer latschte. Ich schloss die Badezimmertür hinter mir ab. In unserer Familie schloss sonst niemand die Badezimmertür ab. Ich sah in den Spiegel wie jeden Tag. Ich sah in ein total eingefallenes fremdes Gesicht. Ich erkannte mich schon lange nicht mehr im Spiegel. Das Gesicht gehörte nicht zu mir. Genauso wenig wie der total abgemagerte Körper. Den fühlte ich gar nicht mehr. Er meldete sich nicht mal, wenn ich krank war. Das Heroin machte ihn gefühllos gegen irgendwelche Schmerzen oder Hunger und sogar gegen hohes Fieber. Der Körper registrierte nur noch den Turkey.
    Ich stand vor dem Spiegel und bereitete den Druck vor. Ich war besonders geil auf den Druck, denn ich hatte M-Powder. Das ist im Gegensatz zum weißen oder bräunlichen H, das sonst auf dem Markt war, ein grau-grünlich gesprenkeltes Pulver. Es ist besonders unreines Dope, aber es macht einen wahnsinnigen Flash. Es geht unheimlich aufs Herz und man muss vorsichtig sein bei der Dosierung. Knallt man sich zu viel M-Powder rein, ist man hops. Aber ich war eben irrsinnig geil auf diesen Flash von M-Powder.
    Ich drückte die Nadel in die Armvene, zog an und es kam auch gleich Blut hoch. Ich hatte das M-Powder ein paarmal gefiltert, aber es ist eben total unsauber. Und dann passierte es auch. Die Nadel verstopfte. Das war so ungefähr das Schlimmste, was einem Fixer passieren kann, dass in diesem Moment die Nadel verstopft. Denn wenn erst das Blut, das man in die Spritze gezogen hat, gerinnt, dann ist nichts mehr zu machen. Dann kann man das Dope nur noch wegschmeißen.
    Ich konnte also nicht mehr rausziehen. Ich drückte mit aller Gewalt, um diesen Dreck durch die Nadel zu bekommen. Ich hatte tatsächlich Schwein. Ich bekam den Schuss rein. Ich zog noch einmal auf, um auch den letzten Rest reinzubekommen. Da verstopfte die Nadel wieder. Mich packte die Wut. Ich hatte nur acht bis zehn Sekunden Zeit bis zum Flash. Ich drückte also mit aller Kraft. Die Pumpe sprang ab, und das Blut spritzte nur so in der Gegend rum.
    Der Flash war irre. Ich musste den Kopf festhalten. In der Herzgegend spürte ich einen unheimlichen Krampf. Der Kopf dröhnte, als hätte jemand mit dem Vorschlaghammer draufgehauen, die Kopfhaut prickelte wie von einer Million Nadeln. Und dann

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