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Wir Kinder von Bergen-Belsen

Wir Kinder von Bergen-Belsen

Titel: Wir Kinder von Bergen-Belsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hetty E. Verolme
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Krankenschwester trug wieder alles ein. Gott sei Dank hatten Max, Jackie und ich keine Tuberkulose. Ein paar andere Kinder hatten nicht so viel Glück und wurden sofort von den gesunden Kindern isoliert.
    Als Schwester Luba an der Reihe war, befragt zu werden, wurde es schwierig. Wir hatten überhaupt nicht an ihre Nationalität gedacht. Sie war Polin und hatte kein Recht, Holland zu betreten. Wir, die wir sie so unbedingt mitnehmen wollten, hatten nicht im Traum daran gedacht. Ich kam ihr zu Hilfe und erzählte dem Beamten, dass Schwester Luba unbedingt bei uns bleiben müsse. Sie sei unsere zweite Mutter geworden, und es sei uns egal, ob sie Polin, Chinesin oder Russin sei. Sie habe uns das Leben gerettet und wir wollten sie bei uns haben.
    Das ganze Befragungsteam war ziemlich verblüfft, als sich dann alle Kinder um Schwester Luba stellten und verlangten, dass man ihr erlauben solle, zu bleiben. Schließlich kam ein groß gewachsener Herr in einem Gabardineregenmantel herein und das Team fragte ihn um Rat. Er warf einen Blick auf die aufgeregten Gesichter der Kinder und sagte, man solle Schwester Luba erlauben, bei uns zu bleiben. Was für eine Erleichterung! Bald verließen wir den Raum und bestiegen einen wartenden Lastwagen, der uns durch Eindhoven zu einem Gebäude fuhr, das aussah wie eine Schule.
    Wir betraten einen großen Raum mit Strohmatratzen und grauen Armeedecken auf dem Boden. Die Toiletten waren draußen, vor dem »Schlafraum«. Es gab auch noch einen kleinen Raum, der aussah wie eine Küche, aber es gab weder eine Kochgelegenheit noch Tische oder Stühle, auf die man sich setzen konnte. Alles wirkte bedrückend und grau. Als Schwester Luba sah, wie wir aufgenommen wurden, regte sie sich sehr auf und fragte mich, warum dieser Mann (sie meinte Captain Gazan) uns von unserem bequemen Haus im britischen Camp weggebracht hatte? Das hier sei doch ein schrecklicher Ort: »Sogar in Ber-gen-Belsen habe ich dafür gesorgt, dass ihr Betten hattet, und hier müsst ihr auf dem Boden schlafen.« Ihr Mund war wieder zu einer schmalen Linie geworden.
    Die Nachricht, dass Kinder aus Bergen-Belsen gekommen waren, ging wie ein Lauffeuer durch Eindhoven, und viele Leute kamen zur Schule, um uns zu sehen. Überall waren Menschen und die Kinder liefen zwischen ihnen herum.
    Die Bewohner von Eindhoven öffneten ihre Herzen und ihre
    Türen und nahmen die meisten der Kinder erst einmal mit zu sich nach Hause. Das Repatriierungsteam registrierte die Aufenthaltsorte der Kinder. Nur wenige Kinder blieben unter Schwester Lubas Aufsicht zurück. Unsere übliche Gruppe, bestehend aus Max, Jackie, Iesie, Loukie, Gerrie, Maurice und mir, dachte nicht daran, sie zu verlassen.
    Als es dunkel wurde, kehrten wir zu dem schrecklich aussehenden Schlafraum zurück und machten es uns auf den Strohmatratzen bequem. Henneke und Sid, erschreckt durch die fremde Umgebung, klammerten sich an Inge. Henneke weinte dauernd, während ihr Bruder Sid versuchte, sie zu beruhigen. Nach einer Weile schlief Henneke ein. Niemand hatte sich darum gekümmert, uns etwas zu essen zu bringen, und wir hatten es Cookie zu danken, dass wir nicht hungrig schlafen gehen mussten.
    Am nächsten Morgen standen wir auf, als es hell wurde, nur um festzustellen, dass die niederländische Obrigkeit uns für die Nacht eingeschlossen hatte. Inge kletterte aus dem Fenster, um herauszufinden, wo genau wir waren, und um Hilfe zu suchen. Wir hingen herum, bis jemand kam, die Tür aufmachte und uns Milch und belegte Brote brachte. Es war ein mageres Mahl, wir konnten noch nicht einmal etwas von dem Tee machen, den Cookie uns eingepackt hatte, denn es gab keine Kochgelegenheit.
    Um zehn kam der Mann in dem Gabardineregenmantel wieder zu uns. Er brachte einen beeindruckend aussehenden Militärmenschen mit, der mir viele Fragen zu Schwester Luba stellte. Dann ging er zu ihr und unterhielt sich mit ihr in fließendem Deutsch. Das Gespräch schien ihn zu befriedigen und bald schon verließ er uns wieder. Der Gabardinemann, wie ich ihn in Gedanken nannte, blieb ein bisschen länger. Wir erfuhren, dass er der Leiter des Teams war und Dr. J. van Waldre de Bordes hieß. Er stellte uns eine Menge Fragen über Bergen-Belsen und sagte, wie glücklich er sei, dass wir wieder heil nach Holland zurückgekehrt waren.
    Als ich ihn fragte, wann wir nach Amsterdam fahren könnten, sagte er, dass Amsterdam nicht offen für Repatriierungen sei. Es gebe viele Krankheiten und nicht genug zu essen,

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