Wir Kinder von Bergen-Belsen
brachte die Kinder dazu, tiefer in den Wagen zu rutschen. Es war keinen Moment zu früh.
Der Motor heulte auf und mit einem heftigen Ruck setzte sich der Krankenwagen in Bewegung. Der Ruck war so stark, dass Iesie und ich zurückgeschleudert wurden und auf die Straße stürzten. Mein Po landete zuerst, dann kam der Kopf. Einen Moment lang lag ich betäubt auf dem Boden, unfähig, mich zu bewegen, doch dann rappelte ich mich mühsam hoch und rieb mein schmerzendes Hinterteil. Iesie, den dasselbe Schicksal getroffen hatte, stand etwas langsamer auf, und ich erinnerte mich an den Schlag, den ich gehört hatte, als sein Kopf auf das Pflaster schlug.
Schwester Luba und Schwester Hermina waren aus dem Haus gerannt, als sie den Tumult gehört hatten, und hatten erschrocken aufgeschrien, als sie uns zu Boden fallen sahen.
Der Fahrer bremste sofort, stieg aus und bemerkte erst jetzt all die Kinder in seinem Auto. Schwester Hermina half Iesie auf die Füße und fragte, ob er in Ordnung sei. Er sah noch ziemlich benommen aus von dem, was uns passiert war, genau das nämlich, was wir bei den anderen Kindern hatten verhindern wollen. Der Fahrer fragte auch mich, ob mit mir alles stimmte, und ich nickte nur, denn ich hatte meine Stimme noch nicht wiedergefunden. Der Schmerz des Aufschlags war groß, ich spürte ihn bis in die Wirbelsäule. Mein Steißbein tat so weh, dass ich mich kaum bewegen konnte, aber als ich es sanft massierte, wurde der Schmerz erträglicher. Der Fahrer sah so geknickt aus, dass ich ihn anlächelte und sagte: »Es wird schon wieder.«
»Willst du eine Runde mitfahren?«, fragte er.
Ich lehnte ab. Das muss man sich mal vorstellen, einfach aus einem Krankenwagen zu fallen, schalt ich mich insgeheim.
Trotz des Missgeschicks wollten die Kinder auf eine Runde durch das Camp nicht verzichten. Diesmal fuhren Schwester Hermina und Schwester Hella mit ihnen, um weitere Unfälle dieser Art zu verhindern. Iesie und ich gingen ins Haus, um uns auszuruhen. Er hatte eine riesige Beule am Hinterkopf und Schwester Luba machte ihm mit einem nassen Handtuch einen kalten Umschlag. Mir tat das Hinterteil weh.
Der nächste Tag ging schnell vorbei. Wir hatten nichts einzupacken, denn alles, was wir besaßen, waren die Kleider, die wir am Leib trugen. Wir waren voller Erwartung, und es konnte uns nicht schnell genug gehen, diesen Platz für immer zu verlassen. Schwester Luba schickte uns an diesem Abend sehr früh ins Bett.
Ich konnte nicht schlafen, die Gedanken hielten mich wach. Wir gehen morgen nach Hause, sagte ich mir. Aber wo sind mein Vater und meine Mutter? Leben sie noch? Ich hatte einen erfolglosen Versuch gemacht, sie durch das Rote Kreuz zu finden. Unruhig warf ich mich von einer Seite auf die andere, aber der Schlaf kam nicht. Ich hatte Herzklopfen und konnte mich nicht entspannen. Die Nacht kam mir endlos vor, doch endlich sah ich, dass der Morgen kam, und glitt vorsichtig aus dem Bett, um das ungarische Mädchen nicht zu wecken. Mir waren plötzlich Schwester Hermina eingefallen, die immer so gut zu mir gewesen war, und Schwester Hella und ihre Mutter, Zosua, und Helen — sie alle waren mir lieb und teuer geworden und ich musste mich von ihnen verabschieden. Tränen traten mir in die Augen.
Ich ging hinunter. Das Haus war ruhig, doch als ich mich der Küche näherte, konnte ich Licht sehen. Cookie, die Köchin, war vor mir aufgestanden. Sie lächelte mich freundlich an, als ich die Küche betrat. Cookie gehörte zum englischen Militär. Sie war etwa vierzig Jahre alt, eine robuste, kräftige Frau, die vom ersten Tag an hier bei uns war und dafür sorgte, dass wir gute, vollwertige Kost bekamen. Es war wunderbar, dass Schwester Luba sich nicht mehr um das Essen kümmern musste und mehr Zeit für andere Dinge hatte. Es war wirklich kaum vorstellbar, dass wir alle nach dieser Typhusepidemie wieder so gesund geworden waren.
Cookie stellte mir eine dampfende Tasse Tee hin und fragte: »Rührei oder gekocht?«
Ich schüttelte den Kopf. »Es ist zu früh für Eier, nur bitte einen Toast und Marmelade.«
»Ihr geht heute nach Hause«, sagte Cookie. »Freust du dich?«
»Ja, ich bin so glücklich, dass ich nicht schlafen konnte, aber ich bin auch sehr traurig.«
»Warum?«, fragte Cookie überrascht.
»Weil ich mich von vielen Leuten, die ich lieb habe, verabschieden muss«, sagte ich. »Und ich weiß, dass ich sie nie wiedersehen werde.«
Cookie setzte sich mir gegenüber an den Tisch.
»Hetty«, sagte
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