Wir Kinder von Bergen-Belsen
der Heimfahrt.
Wir erreichten den Flugplatz von Lüneburg am dritten Juni 1945, um zwei Uhr. Soldaten halfen uns beim Aussteigen. Dicht beieinander standen wir zusammen und beobachteten die Flugzeuge, die starteten und landeten. Der Flugplatz hatte nur eine Landebahn und das einzige Gebäude war eine verzinkte Blechhütte. Captain Gazan ging in die Hütte, um herauszufinden, wann ein Flugzeug uns nach Holland bringen würde. Etwa eine Viertelstunde später kam er heraus und sagte, wir würden losfliegen, wenn das nächste Flugzeug gelandet war.
Etwa um halb drei brachten uns ein paar Soldaten zu einem wartenden Flugzeug. Es hatte zwei Motoren, deren Rotoren sich langsam drehten, und sein Schwanz lag auf dem Boden. Auf die Wand war ein großer Kreis in Rot, Weiß und Blau gemalt. Eine Tür im Heck des Flugzeugs stand offen und eine schmale Treppe führte nach oben. Wir kletterten hinauf. Es war das erste Mal, dass wir in einem Flugzeug waren. An jeder der Längswände aus Metall und mit Holzrippen, gab es lange Bänke und kleine Fenster.
Die Tür wurde fest geschlossen und wir rollten die Startbahn entlang. Wir saßen ohne Sicherheitsgurte auf den Bänken. Dieses Militärflugzeug war nicht luxuriös. Keiner hatte Angst, als die Maschinen anfingen zu dröhnen und das Flugzeug abhob. Es war auch nicht schalldicht und besaß keinen Druckausgleich. Das Geräusch der Motoren war ohrenbetäubend, und wir muss-ten schreien, wenn wir gehört werden wollten. Bald erreichte das Flugzeug die erforderliche Höhe, und das Schütteln, das wir vorher gespürt hatten, hörte auf.
Wir flogen über deutsche Städte und konnten die Zerstörungen sehen, die von den alliierten Bombern angerichtet worden waren. Wir freuten uns darüber, und Robbie, der neben mir auf der Bank stand und hinunterschaute, sagte immer wieder: »Schön, schön.« Ich schaute ihn an, betrachtete sein kleines Gesicht, während er sich die Nase an der Scheibe platt drückte. Was für ein süßer Junge er war, ich hatte ihn sehr lieb. Robbie fühlte meinen Blick, drehte sich zu mir, deutete mit seinem Fingerchen hinaus und wiederholte: »Schön, schön.« Ich nickte und zog ihn zu mir herunter. Er drückte sich fest an mich, seine kleine Hand hielt die meine fest.
Trotz des Lärms der Motoren war es einigen Kindern gelungen einzuschlafen. Wir flogen nun schon seit über einer Stunde, und obwohl es eine neue Erfahrung für uns war, wünschten die meisten, wir wären schon am Ziel. Nach etwa anderthalb Stunden konnten wir hören, dass die Motoren langsamer liefen, der Landeanflug hatte begonnen, was einige Komplikationen mit sich brachte, denn die meisten Kinder begannen zu weinen, weil wir schreckliche Ohrenschmerzen bekamen. Ein Mann der Besatzung sagte, wir sollten den Mund weit aufmachen und Luft schlucken. Aber nichts half. Wir pressten die Hände gegen die Ohren und hofften, es würde besser werden.
Der Kapitän des Flugzeugs versicherte uns, dass es jetzt nicht mehr lange dauern würde und wir uns zur Landung hinsetzen sollten. Er meinte damit die Kinder, die während des Flugs herumgelaufen waren. Es gab keine Trennwand zwischen unseren Bänken und dem Cockpit, und die Jungen hatten großes Interesse an allen Apparaten gezeigt.
Ein paar Minuten später landete das Flugzeug in Eindhoven. Willige Hände halfen uns die Stufen hinunter, als wir den Fuß wieder auf niederländischen Boden setzten.
12. Kapitel
Wir wurden in ein Gebäude geführt, zu einem langen Tisch, wo ein paar Männer und Frauen unsere Ankunft registrierten. Als ich an die Reihe kam, setzte ich mich auf den Stuhl und Max und Jackie stellten sich neben mich. Die Frau wollte meinen Namen wissen, mein Geburtsdatum und unsere letzte Adresse in Holland, vor der Deportation. Sie fragte nach den Namen meiner Eltern und in welchem Lager wir gewesen waren. Sie schrieb alles auf, dann stellte sie eine weiße Karte aus, gab sie mir, deutete auf einen Mann in Weiß und sagte, ich solle jetzt zum Doktor gehen. Ich wartete auf Max und Jackie, und als sie ihre Repatriierungskarte bekommen hatten, gingen wir zusammen zum Arzt. Eine Krankenschwester forderte uns auf, unseren Oberkörper frei zu machen, dann wurden wir der Reihe nach vor ein Röntgengerät gestellt und auf Tuberkulose oder andere Krankheiten untersucht.
Es dauerte nicht lange. Der Doktor sagte seinen Befund und die Krankenschwester notierte ihn auf unsere Papiere. Ein zweiter Arzt kontrollierte Hals, Ohren und Hände. Die
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