Wir lassen sie verhungern
müssen auf die weltweite demografische Entwicklung bezogen werden; hier also die nach Kontinenten aufgeschlüsselten Zahlen aus dem Jahr 2007: Asien, 4,03 Milliarden (entsprechend 60,5 Prozent der Weltbevölkerung); Afrika, 965 Millionen (14 Prozent); Europa, 731 Millionen (11,3 Prozent); Lateinamerika und Karibik, 572 Millionen (8,6 Prozent); Nordamerika, 339 Millionen (5,1 Prozent); Ozeanien, 34 Millionen (0,5 Prozent)
Hier die Entwicklung der globalen Katastrophe über eine längere Dauer – von 1969 bis 2010, also über zwei Generationen:
Wir müssen die genannten Zahlen natürlich auf die weltweite globale demografische Entwicklung dieser Jahrzehnte beziehen: 1970 gab es 3,696 Milliarden Menschen auf dem Planeten; 1980 waren es 4,442 Milliarden; 1990 5,279 Milliarden; 2000 6,085 und 2010 6,7 Milliarden.
Ab 2005 stieg die globale Kurve der Hungeropfer katastrophal an, während das demografische Wachstum, rund 400 Millionen Menschen alle fünf Jahre, konstant blieb.
Der steilste Anstieg wurde zwischen 2006 und 2009 verzeichnet, obwohl in diesen Jahren nach den Daten der FAO auf der ganzen Welt gute Getreideernten eingebracht wurden. Dass die Zahl der Unterernährten trotzdem so heftig zugenommen hat, liegt an der Preisexplosion bei den Grundnahrungsmitteln und an der Krise, mit der ich mich im sechsten Teil des Buchs beschäftigen werde.
Die untenstehende Grafik vermittelt ein genaueres Bild von den Veränderungen, die sich zwischen 1990 und 2010 in den Entwicklungsländern vollzogen.
In diesen letzten Jahren beherbergten die Entwicklungsländer 98 bis 99 Prozent aller Unterernährten dieses Planeten.
In absoluten Zahlen bleiben Asien und der Pazifikraum die Regionen mit den meisten Hungernden, weisen aber einen Rückgang von 12 Prozent auf (von 658 Millionen 2009 auf 578 Millionen 2010), womit sie im Wesentlichen für die Verbesserung von 2010 verantwortlich sind. Dagegen blieb in Schwarzafrika der Prozentsatz der Hungernden auch 2010 am höchsten: Bei 30 Prozent ist dort fast jeder Dritte unterernährt.
Auch wenn die Mehrheit der Hungernden in den Entwicklungsländern zu finden ist, so bleiben die Industriestaaten doch vom Hunger nicht verschont. In Osteuropa und in der ehemaligen Sowjetunion leben Millionen schwer und permanent unterernährte Menschen. Besonders schlimm ist die Situation in zahlreichen Waisenhäusern, wo Erzieher die Kinder manchmal verhungern lassen. Ein Beispiel: Im Waisenhaus von Torez in der Ukraine verhungerten in den letzten drei Jahren im Jahresdurchschnitt 12 von 100 Kindern – wobei es sich meist um behinderte Kinder handelte, die nur mit Hilfe von Erwachsenen Nahrung einnehmen konnten. 29 Auch Westeuropa bleibt nicht verschont. Im Mai 2012 veröffentlichte die Unicef ihren Bericht über die Lage der Kinder in Spanien. Wegen der von Bundeskanzlerin Angela Merkel der EU aufgezwungenen Austeritätspolitik reduzierte die Regierung Rajoy massiv die Sozialleistungen für 9 Millionen extrem arme Familien. Das Resultat: 2011 waren in Spanien 2,2 Millionen Kleinkinder schwerst, permanent unterernährt.
Als Grundnahrungsmittel bezeichnen wir Reis, Weizen und Mais, die zusammen rund 75 Prozent des weltweiten Lebensmittelverbrauchs ausmachen, wobei der Reis allein 50 Prozent dieser Menge stellt. In den ersten Monaten des Jahres 2011 sind die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel erneut – wie schon 2008 – explodiert. Im Februar 2011 schlug die FAO Alarm: 80 Länder befänden sich jetzt am Rande der Ernährungsunsicherheit.
Am 17. Dezember 2010 erhob sich das tunesische Volk gegen die Räuber in Karthago. Zine el-Abidine Ben Ali, der mit seinem Familienclan und seinen Komplizen Tunesien dreiundzwanzig Jahre lang terrorisiert und ausgeplündert hatte, floh mit seiner Familie am 14. Januar 2011 nach Saudi-Arabien. Die Wirkung der tunesischen Erhebung auf die Nachbarländer ließ nicht lange auf sich warten.
In Ägypten begann die Revolution am 25. Januar mit der Versammlung von fast einer Million Menschen auf dem Tahrir-Platz im Herzen Kairos. Seit Oktober 1981 hatte der Luftwaffengeneral Hosni Mubarak unter israelisch-amerikanischem Schutz mit Folter, Polizeiterror und Korruption in Ägypten geherrscht. Während der drei Wochen vor seinem Sturz haben die Scharfschützen seiner Geheimpolizei von den Dächern der Häuser am Tahrir-Platz über 800 junge Leute – Männer und Frauen – ermordet und etliche Hundert weitere in Folterkammern des Regimes »verschwinden« lassen.
Das
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