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Wir lassen sie verhungern

Wir lassen sie verhungern

Titel: Wir lassen sie verhungern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziegler Jean
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aufständische Volk hat Mubarak am 12. Februar gestürzt.
    Die Unzufriedenheit griff auf die ganze arabische Welt über, im Maghreb wie im Maschrek: in Libyen, Jemen, Syrien, Bahrain etc.
    Die Revolutionen in Ägypten und Tunesien haben komplexe Ursachen – der bewundernswerte Mut der Aufständischen speist sich aus tiefen Wurzeln. Aber der Hunger, die Unterernährung, die Angst vor den rasch steigenden Preisen des täglichen Brots waren ein mächtiger Beweggrund der Revolte.
    Seit der Zeit des französischen Protektorats ist die Baguette das Grundnahrungsmittel der Tunesier, während es für die Ägypter das Fladenbrot ist. Im Januar 2011 verdoppelte sich plötzlich der Weltmarktpreis der Tonne Weizen. Im Januar 2011 kletterte er auf 270 Euro.
    Der riesige Landstrich, der sich von der Atlantikküste Marokkos bis zu den Emiraten am Arabisch-Persischen Golf erstreckt, ist weltweit der wichtigste Importeur von Nahrungsmitteln. Egal, ob es sich um Getreide, Zucker, Rindfleisch, Geflügel oder Speiseöl handelt, die Länder des Maghrebs und des Golfs führen Nahrungsmittel in großen Mengen ein.
    Um seine 84 Millionen Einwohner zu ernähren, importiert Ägypten mehr als zehn Millionen Tonnen Weizen pro Jahr, Algerien fünf Millionen, Iran sechs Millionen. Marokko und der Irak kaufen jährlich je drei bis vier Millionen Tonnen Weizen, während sich Saudi-Arabien auf dem Weltmarkt rund sieben Millionen Tonnen Gerste pro Jahr beschafft.
    In Ägypten und Tunesien hat die Gefahr einer Hungersnot ganz außerordentliche Folgen gehabt, das Gespenst des Mangels hat unerhörte Kräfte freigesetzt, die wesentlich zur Blüte des »Arabischen Frühlings« beigetragen haben. Doch in den meisten anderen von Ernährungsunsicherheit unmittelbar bedrohten Ländern werden Leid und Angst auch weiterhin still ertragen.
    Dazu muss man wissen, dass Frauen in den ländlichen Gebieten Asiens und Afrikas eine dauerhafte Diskriminierung erleiden, die mit ihrer Unterernährung zusammenhängt; in bestimmten Gesellschaften der Sudan-Sahelzone und Somalias bekommen Frauen und Mädchen nur die Reste, die die Männer und Jungen bei ihren Mahlzeiten übriglassen.
    Die gleiche Benachteiligung erfahren alle Kleinkinder. Noch schlimmer ist die Diskriminierung von Witwen beziehungsweise Zweit- und Drittfrauen.
    In den somalischen Flüchtlingslagern auf kenianischem Boden kämpfen die Vertreter des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge tagtäglich gegen diese abscheuliche Sitte: Bei den somalischen Nomaden rühren die Frauen die Hirseschüssel oder das gegrillte Hammelfleisch nicht an, bevor die Männer ihre Mahlzeit beendet haben. 30 Die Männer bedienen sich, dann sind die Jungen an der Reihe. Erst wenn die Männer mit ihren Söhnen den Raum verlassen haben, nähern sich die Frauen der Matte mit den Schüsseln, die noch einige Reisbällchen enthalten, ein bisschen Weizen, einen Fetzen Fleisch, den die Männer übriggelassen haben. Wenn die Schüsseln leer sind, bekommen die Frauen und Mädchen nichts zu essen.
    Noch ein Wort zu den Opfern: In dieser Geografie und Statistik des Hungers ist mindestens einer von sieben Erdbewohnern enthalten.
    Doch wenn wir einen anderen Standpunkt einnehmen, wenn wir das Kind, das stirbt, nicht einfach als statistische Einheit betrachten, sondern als Verschwinden eines singulären, unersetzlichen Wesens, das auf die Welt gekommen ist, um sein unwiederholbares Leben – das einzige, das es hat – zu leben, ist der Fortbestand dieses tödlichen Hungers unerträglich in einer Welt, die so reich ist, dass ihr nichts unmöglich wäre.
    11 Am 16. Dezember 1966 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet.
    12 Die Bibel nach der deutschen Übersetzung D. Martin Luthers , Das Buch Jesus Sirach, 34, 25-27.
    13 Peter Piot, The First Line of Defense . Why Food and Nutrition Matter in the Fight Against HIV/AIDS , Rome, Programme alimentaire mondial, 2004.
    14 Institut national de démographie, Paris, 2009.
    15 Bei diesem Abschnitt konnte ich dankenswerter Weise die wertvolle Hilfe von Pierre Pauli, Statistisches Amt des Kantons Genf, in Anspruch nehmen.
    16 Francis Delpeuch und Bernard Maire, in: Alain Bué und Françoise Plet (Hg.), Alimentation, environnement et santé. Pour un droit à l’alimentation , Paris, Éditions Ellipses, 2010.
    17 Millennium Development Goals (MDGs)
    18 FAO, »Report on Food insecurity in the world«, Rom 2011.
    19 Zur katastrophalen Kürzung der WFP-Haushaltsmittel vgl. S. 195 f.
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