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Wir lassen sie verhungern

Wir lassen sie verhungern

Titel: Wir lassen sie verhungern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziegler Jean
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Grundwasserspiegel und einem System von Kapillarkanälen ohne größere technische Schwierigkeiten 440000 Hektar Land bewässern könnte. Auf dem so gewonnenen Boden könnten jährlich drei Ernten eingebracht werden. Würde dieses Projekt verwirklicht, hätte das Land damit die Möglichkeit zur Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln. Anders gesagt, es könnte den Hunger von zehn Millionen Nigrern ein für allemal besiegen.
    Doch leider hat der zweitgrößte Uranproduzent der Welt keinen einzigen Heller für die Finanzierung dieses Projekts übrig. Und im Niger verhungern die Kinder weiter.
    Das Elend der Völker, die im Norden Nigers leben, vor allem der Menschen, die sich am Fuß der Vorgebirge des Tibesti niedergelassen haben, ist der Grund für den Tuareg-Aufstand. Seit zehn Jahren ist er dort endemisch. Terrorgruppen algerischen Ursprungs, die sich im islamischen Netzwerk »Al-Qaida im Maghreb« organisiert haben, operieren in der Region. Ihre bevorzugte Aktivität: die Ergreifung europäischer Geiseln. Sie entführen die Europäer sogar in deren Restaurant Le Toulousain im Zentrum von Niamey und mitten in den weißen Wohngebieten des riesigen Lagers von Arlit. Die Al-Qaida-Killer haben keine Mühe, ihre Soldaten unter den jungen Tuareg anzuwerben, die durch die Politik der Avera zu einem Leben in Dauerarbeitslosigkeit, Verzweiflung und Elend verurteilt werden.
    Im Süden von Niger, im Hausa-Land unweit Maradis, im einstigen Sultanat Zinder, habe ich den Einfall eines verheerenden Heuschreckenschwarms erlebt. In der Ferne ist die Luft von einem seltsamen Geräusch erfüllt, wie von einem sehr hoch fliegenden Bombergeschwader.
    Das Geräusch nähert sich.
    Jäh verfinstert sich der Himmel. Milliarden Wanderheuschrecken – schwarz, violett – schlagen heftig mit den Flügeln. Eine riesige Wolke verdeckt die Sonne. Eine Art Dämmerung legt sich über die Augen. In dem Augenblick, da die Insekten Anstalten machen, sich auf die Erde zu stürzen, bilden sie eine kompakte Masse. Der Angriff erfolgt dann in drei Etappen. Zunächst verharren sie – eine unruhige, geräuschvolle, drohende Masse – einige Minuten lang über den Dörfern, Feldern und Speichern, die sie anvisieren. Daraufhin sinkt die Wolke unter entsetzlichem Getöse bis halb zur Erde nieder. In unabsehbarer Zahl lassen sich die Tiere auf Bäumen, Büschen, Hirsehalmen, Hüttendächern nieder und verschlingen alles, wessen ihre gierigen Kauwerkzeuge habhaft werden.
    Nach einem kurzen Aufenthalt erreicht die gefräßige Heerschar den Boden. Bäume, Büsche, Hirsefelder, Nahrungspflanzen sind kahlgefressen, zu Skeletten abgenagt, jedes Blatt, jede Frucht, jedes Korn haben die Invasoren verschlungen. Auf einer Fläche von mehreren Quadratkilometern bedeckt das wogende Heuschreckenmeer jetzt den Boden. Auf der Erdoberfläche verzehren sie die letzten genießbaren Reste und wühlen dabei den Boden bis zu einer Tiefe von einem Zentimeter auf.
    Die gesättigte Horde verschwindet, wie sie gekommen ist: plötzlich, mit dumpfem Lärm, die Sonne verfinsternd. Vorsichtig treten die Bauern, die Frauen, die Kinder aus den Hütten. Der Schrecken steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Ihnen bleibt nichts übrig, als der Katastrophe ins Auge zu blicken.
    Die Weibchen sind 7 bis 9 Zentimeter groß, die Männchen 6 bis 7,5 Zentimeter. Sie wiegen zwischen 2 und 3 Gramm. Eine Heuschrecke verzehrt pro Tag das Dreifache ihres Körpergewichts.
    Wanderheuschrecken fallen im Sahel, im Mittleren Orient, im Maghreb, in Pakistan und Indien ein. Ihre gefräßigen Schwärme überqueren Meere und Erdteile und bestehen manchmal, so heißt es, aus mehreren Milliarden Tieren. Der Neurotransmitter Serotonin löst ihren Wandertrieb aus und bewirkt die Schwarmbildung.
    Theoretisch ist die Bekämpfung des Schädlings nicht schwer: Man versprüht mit Hilfe von Geländefahrzeugen wirksame Insektizide, während Flugzeuge in die Schwärme eindringen und hohe Dosen tödlicher Chemikalien zerstäuben. So hat Algerien während der Heuschreckenplage von 2004 48 Fahrzeuge eingesetzt, die 80000 Liter Pestizide versprühten, Marokko 6 Fahrzeuge mit 50000 Litern und Libyen 6 Allrad-Toyota mit 110000 Litern. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass diese extrem giftigen Pestizide den Boden zerstören und auf Jahre hin unbrauchbar machen können.
    Das zweite Buch Mose berichtet von den biblischen Plagen.
    Der ägyptische Pharao, der das Volk der Hebräer in Sklaverei hielt, weigerte sich, es freizulassen. Um

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