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Wir lassen sie verhungern

Wir lassen sie verhungern

Titel: Wir lassen sie verhungern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ziegler Jean
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hat der IWF, wie erwähnt, die Privatisierung des Nationalen Veterinäramts verlangt. Seither müssen die Viehzüchter für Impfstoffe, Vitamine und Antiparasitika, die sie zur Behandlung ihrer Tiere brauchen, völlig überhöhte Preise an die transkontinentalen Konzerne bezahlen.
    Die Folge? Zehntausende Familien haben ihre Viehbestände verloren. Heute fristen sie ein armseliges Leben in den Elendsvierteln der großen Küstenstädte: in Cotonou, Dakar, Lomé, Abidjan.
    Wo der IWF durchgreift, schrumpfen die Felder mit Maniok, Reis und Hirse. Die Subsistenzlandwirtschaft stirbt. Der IWF verlangt die Ausweitung von kolonialen Feldkulturen, deren Produkte – Baumwolle, Erdnüsse, Kaffee, Tee, Kakao und so fort – auf dem Weltmarkt abgesetzt werden können und die Devisen bringen, die für den Schuldendienst nötig sind.
    Die zweite Aufgabe des IWF besteht darin, die Märkte der Länder des Südens für die privaten transkontinentalen Lebensmittelkonzerne zu öffnen. Daher trägt der Freihandel in der südlichen Hemisphäre die grässliche Maske von Hunger und Tod. Schauen wir uns einige Beispiele an.
    Haiti ist heute das notleidendste Land Lateinamerikas und das drittärmste der Welt. Grundnahrungsmittel ist dort der Reis.
    Anfang der Achtzigerjahre konnte Haiti sich mit Reis selbst versorgen.
    Die indigenen Bauern, die den Reis auf Terrassen und auf feuchten Ebenen anbauten, waren vor ausländischen Dumpingpreisen durch eine unsichtbare Mauer geschützt: einen Einfuhrzoll von 30 Prozent auf Reis.
    Doch im Laufe der Achtzigerjahre musste sich Haiti zwei Strukturanpassungsprogrammen unterwerfen.
    Unter dem Diktat des IWF wurde der Schutzzoll für Reis von 30 auf 3 Prozent reduziert. Daraufhin überschwemmte der von Washington hochsubventionierte nordamerikanische Reis die haitianischen Städte und Dörfer, ruinierte den nationalen Anbau und infolgedessen die soziale Existenz von Hunderttausenden Reisbauern.
    Zwischen 1985 und 2004 stiegen in Haiti die Reisimporte – vor allem aus Nordamerika, wo der Reisanbau, wie gesagt, stark subventioniert wurde – von 15000 auf 350000 Tonnen pro Jahr an. Gleichzeitig brach der lokale Reisanbau ein – von 124000 auf 43000 Tonnen pro Jahr. 162
    Seit Anfang des 21. Jahrhunderts musste der haitianische Staat mehr als 80 Prozent seiner mageren Einnahmen aufwenden, um die Lebensmittelimporte zu bezahlen. Außerdem hat die Vernichtung des Reisanbaus zu einer massiven Landflucht geführt. Die Überbevölkerung von Port-au-Prince und anderen Großstädten des Landes führte zur Auflösung der Öffentlichen Dienste.
    Mit einem Wort, die ganze haitianische Gesellschaft hat Umwälzungen größten Ausmaßes erlebt und ist heute infolge dieser neoliberalen Politik noch schwächer und anfälliger als vorher. Haiti ist ein Bettelstaat geworden, der dem Gesetz des Auslands ausgeliefert ist.
    Daher waren dort die letzten zwanzig Jahre eine einzige Folge von Staatsstreichen und sozialen Krisen.
    In normalen Zeiten verbrauchen die 9 Millionen Haitianer 320000 Tonnen Reis pro Jahr. Als sich 2008 der Weltmarktpreis von Reis verdreifachte, konnte der Staat nicht genügend Lebensmittel einführen. Daraufhin ging der Hunger um in der Cité Soleil , der »Sonnenstadt«, dem größten Slum Lateinamerikas, der zu Füßen des Hügels von Port-au-Prince am Ufer des Karibischen Meers liegt.
    Seit den Neunzigerjahren ist auch Sambia einer Reihe solcher Strukturanpassungsprogramme unterzogen worden. Die Folgen für die sambische Gesellschaft und Ernährung waren ganz offensichtlich katastrophal. 163
    Sambia ist ein wunderbares Land, durchflossen vom Sambesi und dank einem milden Klima von tiefgrünen Hügeln geprägt. Das Grundnahrungsmittel seiner Bewohner ist der Mais.
    Anfang der Achtzigerjahre wurde der sambische Maisverbrauch vom Staat mit 70 Prozent subventioniert. Auch die Bauern wurden subventioniert. Der Verkauf auf dem Binnenmarkt und die Exporte nach Europa – in den guten Jahren – wurden durch eine staatliche Behörde, das Marketing Board , geregelt.
    Die zusätzlichen Subventionen – für die Verbraucher und Erzeuger – machten etwas mehr als 20 Prozent des Staatshaushalts aus. Alle wurden satt.
    Der IWF verordnete zunächst die Verringerung, dann die Abschaffung dieser Subventionen. Er verbot auch die staatlichen Zuschüsse für den Kauf von Dünger, Saatgut und Pestiziden. Die Schulen und Krankenhäuser – deren Inanspruchnahme bis dahin umsonst war – wurden kostenpflichtig. Und die

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