Wir lassen sie verhungern
auf, als würde ihnen alles gehören, als wäre das Gebiet verlassen, dabei wohnen dort Tausende von Maliern.« 290
Tiébilé Dramé fügt hinzu: »Der Ansturm auf die Ackerflächen in Mali [von Ausländern] verschärft die Konflikte, während das Land Mühe hat, seine Bevölkerung zu ernähren … Auf diesem Land bauen Familien seit Generationen Hirse und Reis an … Was wird aus diesen Menschen? … Wer Widerstand leistet, wird festgenommen, und manch einer sogar ins Gefängnis gesteckt.« 291
Den Gewerkschaften, die gegen die entschädigungslosen Vertreibungen protestieren, erwidert Abdallah Youssef, der Generaldirektor von Malibya, mit ausgesuchter Höflichkeit und totaler Verlogenheit: »[Ich erkenne] die Notwendigkeit an, die einheimische Bevölkerung umzustrukturieren, das heißt, die Dörfer zu verlagern.« 292
Mamadou Goïta und die Seinen haben nicht das geringste Vertrauen in die von Abdallah Youssef vorgeschlagene »Umstrukturierung der Bevölkerungen«. Er verlangt schlicht und einfach die Annullierung des mit den Libyern geschlossenen Vertrags.
Bislang vergebens.
Diese Widerstandsaktionen sind exemplarisch. Schauen wir uns noch eine an.
Durch den Bau des riesigen Diama-Damms, der den Fluss Senegal 27 Kilometer flussaufwärts von Saint-Louis staut, hat das Land viele Tausend Hektar Ackerland hinzugewonnen. Einen großen Teil dieser Flächen haben sich heute die Unternehmen, genannt Grands domaines du Sénégal (GDS), angeeignet.
Für die Bauerngewerkschaftler von Ross Béthio, die uns empfangen, sind die GDS geheimnisumwitterte Feinde.
Im Senegal kann sich jeder multinationale Konzern, jeder beliebige Investor etc. 20000 Hektar Land oder mehr zuteilen lassen, vorausgesetzt, er verfügt über nützliche Beziehungen in Dakar. Die Zuteilung ist unbefristet, die Steuerbefreiung gilt für 99 Jahre.
Die GDS sind im Besitz von Finanzgruppen spanischer, französischer, marokkanischer und anderer Nationalität. Sie erzeugen, teilweise in Treibhäusern, Zuckermais, Zwiebeln, Bananen, Melonen, grüne Bohnen, Tomaten, Erbsen, Erdbeeren, Trauben.
Im Durchschnitt werden 98 Prozent der Produktion per Schiff über den nahegelegenen Hafen von Saint-Louis exportiert. Direkt nach Europa.
Die GDS verfügen über eine sogenannte integrierte Kette: Sie produzieren im Walo auf Flächen entlang des Flusses, die geflutet und bewässert werden können. Eigene (oder von ihren gecharterte) Schiffe sorgen für den Transport. In Mauretanien oder Europa verfügen sie über Reifungszentren für das Obst. Die Gruppen, die die GDS besitzen, sind in vielen Fällen auch die Hauptaktionäre der Supermarktketten in Frankreich.
Der Walo ist übersät von riesigen Treibhäusern, die mit braunen Plastikplanen bedeckt sind und von Sprenganlagen bewässert werden. Trotz der Beziehungen, die Adama Faye zur Präfektur in Saint-Louis unterhält, scheitert unser Versuch, eine der GDS zu besuchen.
Bewaffnetes Wachpersonal in blauen Uniformen, vier Meter hohe Stahltore, Videoüberwachung … Man hält uns vor dem Eingang zu einer besonders riesigen GDS an, der Fruitière de Marseille.
Über eine elektronische Sprechanlage verhandle ich mit einem Direktor, der in einem Verwaltungsgebäude verschanzt ist, dessen Umrisse in der Ferne nur zu ahnen sind. Er hat einen starken spanischen Akzent. »Sie haben keine Besuchserlaubnis … tut mir sehr leid … Ja, da kann selbst die UNO nichts machen … Der Präfekt von Saint-Louis? … Der hat hier nichts zu sagen … Sie müssen sich schon an unser Büro in Paris oder Marseille wenden …«
Mit anderen Worten, niemand wird hineingelangen.
Ich wende eine Taktik an, die mir schon bei anderen Gelegenheiten Erfolg beschert hat. Ich rühre mich nicht von der Stelle. Stundenlang warte ich unter den bösen Blicken des Sicherheitspersonals vor dem verschlossenen Tor.
Schließlich nähert sich gegen Abend auf der asphaltierten Straße von Saint-Louis her ein Audi Quattro. Vor dem Tor hält ein junger französischer Techniker, der gerade seine Stellung bei der GDS angetreten hat. Er sieht recht sympathisch aus.
Ich nähere mich dem Auto.
Nachdrücklich verteidigt er seinen Arbeitgeber. »Wir haben hohe Kosten für die Sicherung der Anlagen …« Und dann: »Großenteils ist unser Land höher gelegen, 12 bis 15 Meter. Um es zu bewässern, brauchen wir Motorpumpen. Die senegalesischen Bauern haben keine … Wir zahlen keine Steuern? Ganz falsch! Wir beschäftigen junge Leute aus den Dörfern. Der
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