Wir ♥ Maya Banks
ist so, als würde ich eine Fremde anschauen.“
„Findest du das nicht ziemlich merkwürdig?“
Rafael schnaubte. „Natürlich. Diese ganze Situation ist absolut merkwürdig.“
Ryan musterte Rafael eindringlich. „Man sollte doch denken, wenn man sich Hals über Kopf in eine Frau verliebt, vier Wochen lang Tag und Nacht mit ihr verbringt, sie obendrein noch schwängert, dass man da zumindest eine Art Déjà-vu hat.“
„Ich verstehe schon, was du meinst, Ryan, und ich weiß deine Sorge auch zu schätzen. Aber irgendetwas ist auf der Insel passiert. Ich weiß zwar noch nicht, was, aber in meinem Gedächtnis klafft eine riesige Lücke, und Bryony ist mittendrin. Ich muss auf die Insel zurückkehren, und wenn es nur dazu dient, um ihre Geschichte zu widerlegen.“
„Und wenn sie die Wahrheit sagt?“
„Dann habe ich eine Menge aufzuarbeiten.“
Bryony stand vor dem modernen Bürohochhaus und starrte nach oben auf die glitzernde Fassade, in der sich die helle Herbstsonne spiegelte.
Die Stadt faszinierte sie, machte ihr aber auch Angst. Alle waren hier so geschäftig. Niemand schien auch nur für einen Moment innezuhalten.
Wie konnte man das aushalten?
Und doch war sie bereit gewesen, sich Rafael zuliebe an das Leben in der Stadt zu gewöhnen. Hier lebte und arbeitete er. Hier blühte er auf.
Je länger sie hier stand, desto größer wurden ihre Zweifel. Machte sie sich schon wieder zum Narren?
Einmal auf einen Mann hereinzufallen, war entschuldbar, aber zweimal? „Ich muss verrückt sein, ihm zu vertrauen“, murmelte sie.
Aber wenn diese absurde Geschichte stimmte, dann hatte er sie nicht betrogen. Dann hatte er sie nicht sitzen lassen. Und auch nicht all das getan, was sie ihm vorgeworfen hatte.
Einerseits war sie erleichtert, andererseits hatte sie keine Ahnung, was sie glauben oder denken sollte.
„Sie sind Bryony, oder?“
Sie riss den Blick von dem Gebäude los. Es war ihr peinlich, dass sie noch immer wie ein Trottel dastand und gen Himmel blickte, vor allem, als sie jetzt zwei Männer bemerkte, die ihr schon auf der Party in Rafaels Begleitung aufgefallen waren.
Sie machte einen Schritt zurück. „Ja“, antwortete sie zögernd.
Es waren beides große Männer. Der eine hatte kurzes braunes Haar, der andere etwas längeres blondes. Der eine lächelte, während der andere sie musterte wie ein lästiges Insekt.
Der lächelnde Mann streckte ihr die Hand entgegen. „Ich bin Devon Carter, ein Freund von Rafael. Das ist Cameron Hollingsworth.“
Cameron musterte sie weiterhin kritisch, also ignorierte Bryony ihn und konzentrierte sich auf Devon, obwohl sie nicht wusste, was sie sagen sollte.
„Freut mich, Sie kennen zu lernen“, murmelte sie.
„Sind Sie hier, weil Sie sich mit Rafe treffen wollen?“, fragte Devon.
Sie nickte.
„Wir bringen Sie gern nach oben.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ist schon okay. Ich finde den Weg allein. Ich meine, ich möchte Ihnen keine Mühe bereiten.“
„Kein Problem“, erwiderte Devon geschmeidig. „Aber wie Sie möchten. Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag.“
„Danke. Es war nett, Sie kennen zu lernen.“
Die beiden Männer verabschiedeten sich und gingen zur Straße, um in einen BMW zu steigen.
Bryony holte noch einmal tief Luft und marschierte auf die Drehtür zu. In der Mitte der Lobby stand ein großer Brunnen, und sie blieb einen Moment lang stehen, um sich vom Plätschern des Wassers beruhigen zu lassen. Sie vermisste das Meer. Es kam nicht häufig vor, dass sie die Insel verließ, und hier in dieser hektischen Großstadt sehnte sie sich nach der Ruhe und dem Frieden der kleinen Insel, auf der sie aufgewachsen war.
Das schlechte Gewissen versetzte ihr einmal mehr einen Stich. Ihretwegen befand sich das Grundstück ihrer Familie jetzt in den Händen eines Mannes, der entschlossen war, darauf ein Resort samt Golfplatz und wer weiß was zu bauen. Nicht, dass das schlechte Dinge waren. Bryony hatte weder etwas gegen den Fortschritt noch gegen freie Marktwirtschaft und Kapitalismus. Jeder Mensch verdiente gern Geld.
Aber Moon Island war etwas Besonderes. Bisher war es vom Bauboom, der so manch andere Insel verunstaltet hatte, verschont geblieben. Die Familien, die dort lebten, taten dies schon seit Generationen. Jeder kannte jeden. Es gab eine unausgesprochene Vereinbarung unter den Einwohnern, dass sie die Insel so belassen wollten, wie sie war. Ein Hafen für Menschen, die nicht länger auf der Überholspur leben
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