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Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre

Titel: Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Bainbridge
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durch »Phäomelanin« –, und das Verschwinden von Melanin in den einzelnen Follikeln ist der Grund dafür, dass die Haare grau aussehen. Melanin wird im Körper vornehmlich von eigenartigen Zellen produziert, die Melanozyten heißen. Sie entstehen ganz in derNähe des embryonalen Nervensystems und verteilen sich dann über die ganze Länge und die ganze Breite des Körpers. In den Haarfollikeln bilden sie Ansammlungen und erzeugen Melanin, das in den wächsernen Haarschaft aus Keratin abgegeben wird.
    Haarfollikel produzieren nicht nur jeweils ein einziges Haar. Nach etwa fünf Jahren fallen Haare aus, woraufhin ein neues zu wachsen beginnt und neue Melanozyten sich im Follikel anhäufen, um Pigmente zu produzieren. Im mittleren Alter verläuft die Anhäufung von Melanozyten im Follikel weniger effizient als zuvor, und wenn sie es doch geschafft haben, halten sie sich nicht mehr so lange. Diese Entwicklung betrifft nicht den ganzen Kopf, sondern beginnt auf mysteriöse Weise bei vereinzelten Follikeln, weshalb die meisten von uns durch eine »Salz-und-Pfeffer-Phase« gehen, also ein Nebeneinander pigmentierter und nicht pigmentierter Follikel. Mag das Versagen der Melanozyten zunächst vereinzelt auftreten, so ist es doch irreversibel. Ein graues Haar auszureißen heißt also nicht, dass ein pigmentiertes nachwächst (es heißt aber auch nicht, dass ab da vermehrt graue Haare wachsen, wie uns das Ammenmärchen weismachen will). Das Versagen der Follikel-Melanozyten ist vielleicht eine für das mittlere Alter vorprogrammierte Entwicklung, vielleicht aber auch nur Resultat einer follikulären »Erschöpfung«, die auf die jahrelangen, aufwändigen Stoffwechselprozesse der Haarbildung folgt. Ein Nebenprodukt der Melaninherstellung sind reaktive Sauerstoffe, welche, wie wir schon gesehen haben, beim Alterungsprozess eine Rolle spielen. In den Haarfollikeln kann sich auch Wasserstoffperoxid in hoher Konzentration ansammeln  – man muss sich also nicht einmal die Haare bleichen, um den Melanozyten das Leben schwer zu machen.
    Zusätzlich zur Haarfarbe verändert sich im mittleren Alter auch die Verteilung des Haarwuchses. Die Glatzenbildung bei Männern lasse ich hier mal beiseite, denn die fängt oft schon inden Zwanzigern an und ist deshalb für das Middle-Age nicht wirklich charakteristisch. Drastische Veränderungen finden allerdings statt, was Haarbeschaffenheit und Haarverteilung am ganzen Körper angeht. Es gibt zweierlei Haartypen: das dünne, flaumige und fast unsichtbare Vellushaar, außerdem das gröbere, meist pigmentierte Terminalhaar. Durch Androgene  – das sind Sexualhormone wie etwa das Testosteron – werden Körperhaarfollikel dazu gebracht, die Produktion von Vellushaar zugunsten des struppigen Terminalhaars einzustellen. Aus dem Grund unterscheiden sich Körper- und Gesichtsbehaarung bei Männern und Frauen, genauer gesagt: Die Haarverteilung ist so gut wie gleich, nur haben Frauen hauptsächlich Vellushaare und Männer ziemlich viele Terminalhaare. Die Haarfollikel reagieren auch ganz unterschiedlich auf Androgene, weshalb die meisten Frauen sichtbaren Haarwuchs unter den Achseln haben, nicht jedoch am Kinn.
    Die Körperbehaarung des Mannes ist meines Erachtens der offensichtlichste Beweis dafür, dass unser Entwicklungsprogramm über das ganze Leben hinweg aktiv ist. Beim Mann gibt es keine »endgültige« Verteilung der Haare über den Körper, nicht mit der Pubertät, nicht mit achtzehn, auch nicht später. Im Gegenteil, die Anordnung der Behaarung ändert sich bis ins dritte oder vierte Jahrzehnt, wenn nicht sogar noch länger. Die »Lebensuhr« tickt zweifellos weiter. Bis zum Middle-Age äußert sich das hauptsächlich in einem immer dichter und größer werdenden Wald aus Körperhaar, ab da nimmt der fortschreitende Reifungsprozess eine eher unschöne Wendung. Jeder Mensch hat Haare in den Ohren und in der Nase, doch handelt es dabei um unsichtbare Vellushaare, vermutlich mit einer gewissen Schutzfunktion. Bei Männern werden diese Haare – genau wie die der Augenbrauen – im mittleren Alter oft dicker und länger, weshalb einem all die obskuren Pflegeutensilien aus der Zeitschriftenwerbung auf einmalgar nicht mehr so obskur vorkommen. Auch Frauen kriegen mehr Terminalhaare, aber längst nicht so viele wie die Männer. Trotzdem ist für sie ein Terminalhaar an der Oberlippe eine weit größere kosmetische Katastrophe als für die Männer – denn die haben ja eh schon Tausende.

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