Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
dem nicht so. Frauen profitieren also von der Verwendung eines Moisturizers, insbesondere spätabends, kurz bevor sie ihr Gesicht erneut in das zerstörerische Kissen drücken. Tatsächlich sind Feuchtigkeitsspender eine der wenigen kosmetischen Erfindungen, die auch wirklich funktionieren, auch wenn sie nur kurzfristig helfen und regelmäßig verwendet werden müssen, weil sie nur in die obersten Bereiche der Epidermis eindringen – die Bereiche, die innerhalb weniger Tage abgestoßen und ersetzt werden.
Das letzte Kapitel unserer eher traurigen Geschichte von der mittel-alterlichen Haut beschäftigt sich mit ihrer Pigmentierung. Die Farbe der menschlichen Haut entsteht durch darin befindliche Pigmente – Melanin und Carotinoide – sowie das warme Leuchten von rotem Hämoglobin in den Adern der Dermis. Ich habe schon erwähnt, dass die Blutversorgung der Dermis immittleren Alter nachlässt; zusätzlich können sich verworrene Anordnungen von Blutgefäßen bilden und die Haut beschädigen. Die größte Veränderung bei der Farbgebung der Haut besteht aber darin, dass die Verteilung der Melaninpigmente nicht mehr einheitlich vonstatten geht. Die Anzahl der melaninproduzierenden Zellen nimmt im mittleren Alter ab, was im Verbund mit der schlechteren Durchblutung dazu führt, dass die Haut bleicher aussieht. Gleichzeitig entstehen in zunehmendem Maße vereinzelte Pigmentflecken. Diese als »Leberfleck« bekannte Veränderungen, die mit der Leber rein gar nichts zu tun haben, werden auch treffend »Lentigo solaris« genannt. Denn die Hauptursache dieser Flecken ist Sonneneinstrahlung – das natürliche Bestreben der Haut, schützendes Melanin zu produzieren, führt dann beim Älterwerden zu diesen klumpenartigen Gebilden. Auch hier müssen wir für die Sünden unserer Jugend im mittleren Alter bezahlen.
Das auffälligste Produkt der Säugetierhaut sind die Haare – sie entstehen, wenn kleine Knollen in der Epidermis damit beginnen, dünne, pigmentierte Säulen aus Keratin (einem Protein) zu erzeugen.
Sagen wir so: Diese Säulen sind pigmentiert, solange wir jung sind. Dass die Haare grau werden, beginnt stellenweise oft schon in unseren Dreißigern und nimmt dann im Middle-Age richtig zu, sodass wir mit sechzig so gut wie komplett ergraut sind. Natürlich unterscheiden sich die Menschen in Ausmaß und Grad ihres Grau-Werdens, und man geht davon aus, dass dieser Vorgang zu hundert Prozent von den Genen gesteuert wird – es gibt also im Gegensatz zur Alterung der Haut nichts, was man tun kann, um die graue Flut aufzuhalten (außer natürlich, man färbt sich die Haare). Auch innerhalb der Spezies gibt es gewaltige Unterschiede – die Hellhäutigen ergrauen etwa viel früher als andere Rassen. Ein kleiner Trost ist vielleicht die Tatsache, dass imGegensatz zu vielen anderen Merkmalen des Middle-Age das Ergrauen der Haare kein speziell menschliches Phänomen ist. Man muss nur einen Moment an die silbrige Schnauze eines greisen Labradors denken, um sich davon zu überzeugen, dass viele Tiere mit fortschreitendem Alter grau werden. Die großen Affen gar sind passionierte Ergrauer, und beim Gedanken an den spektakulären Silberrücken eines alten Gorillamännchens komme ich schon ins Grübeln, ob wir Primaten graue Haare vielleicht gezielt einsetzen, um unser Alter anzuzeigen. Möglicherweise soll es sogar auf unsere Bedeutung als Träger kultureller Information hinweisen.
Das Ergrauen der Haare ist kein homogener Prozess. Es kann an den Schläfen beginnen oder an einzelnen Haarspitzen und sich dann ohne feste Regel über den ganzen Kopf ausbreiten. Viele Leute haben Stellen, in denen sich graue Haare mit pigmentierten mischen, und das über Jahrzehnte hinweg. Körperhaare ergrauen meist später als Kopfhaare, und das Ergrauen der Gesichtshaare folgt komplizierten Mustern – vielleicht, weil Bartund andere Gesichtshaare analog zu anderen Primaten Signalfunktion hinsichtlich der Männlichkeit und Dominanz besitzen. Abschließend sei auf etwas hingewiesen, an das niemand gern denkt. Jawohl: auch die Schamhaare werden grau, aber glücklicherweise erst spät, und manchmal auch gar nicht. Die Wissenschaft versteht mittlerweile recht gut, welche Prozesse dem Ergrauen der Haare zugrunde liegen, wenngleich dieses Verständnis nicht soweit reicht, dass man es aufhalten könnte. Im Gegensatz zur Haut entsteht die Farbe der Haare ausschließlich durch Melanin-Pigmente – selbst rotes Haar erhält seine Färbung
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