Wir Middle-Ager -Unsere besten Jahre
davon aus, dass jede mit unregelmäßigem Nahrungsvorkommen konfrontierte Art den Mechanismus entwickelt, die Fortpflanzung einzustellen und Ressourcen nur darauf zu verwenden, das nackte Überleben zu sichern. Ihr gebt uns was zu essen, und wir horten es erstmal, bevor wir es dann irgendwann verwenden. Genetische Variationen dieser eingebauten Sparsamkeit sind vielleicht der Grund dafür, dass esinnerhalb der menschlichen Spezies Gruppierungen gibt, die eher zu Übergewicht neigen als andere – die nach Hawaii ausgewanderten Samoaner ebenso wie manche der hellhäutigen US-Bürger unterschiedlicher Herkunft (bei hispano-amerikanischen Frauen kommt Übergewicht häufiger vor als bei anderen). Vielleicht waren manche Völker in der Vergangenheit zu mehr Sparsamkeit gezwungen als andere. So hat man vermutet, dass die starke Auslese der Individuen, die bei den Sklaventransporten über den Atlantik nicht verhungert oder an Salzmangel gestorben sind, die Häufigkeit von Herzkranzgefäßerkrankungen bei Afroamerikanern erklären könnte. Vielleicht ist die Sparsamkeit auch die einfache Erklärung dafür, dass Menschen überhaupt Arteriosklerose bekommen – vielleicht war es in grauer Vorzeit ja von Vorteil, aus unserer Nahrung auch noch das letzte Fitzelchen Cholesterin und Fett extrahieren zu können.
Der evolutionäre Standpunkt hilft auch bei der Beantwortung einer weiteren wichtigen Frage: Warum leben Männer nicht so lange wie Frauen? Dieser Unterschied kann wenigstens zum Teil dadurch erklärt werden, dass Männer eher Probleme mit den Herzkranzgefäßen kriegen, auch wenn sie im Durchschnitt weniger Körperfett haben. Das liegt wahrscheinlich mit daran, dass Östrogene bestimmte »Herz-schonende« Eigenschaften haben, und zwar insbesondere vor Einsetzen der Menopause, wohingegen Männer kaum über zirkulierendes Östrogen verfügen. Dies verstanden zu haben, bedeutet aber noch lange nicht, ein Mittel gegen Herzerkrankungen bei Männern in der Hand zu haben – dafür sind die Nebenwirkungen von Östrogen nicht nur zu feminisierend, sondern auch viel zu toxisch. Der weibliche Zyklus als solcher trägt außerdem ein Stück weit zur Vermeidung von Herzkrankheiten bei, denn an bestimmten Punkten des Zyklus steigt die Herzfrequenz fast um ein Fünftel an – dies übrigens auch während der Schwangerschaft. Dadurch macht das weiblicheHerz alle paar Wochen (oder auch Jahre) eine Art »Fitnesstraining«, und dieses zusätzliche Training könnte durchaus der Grund dafür sein, dass das Organ länger leistungsfähig ist.
Wir wissen jetzt zwar, warum Männer häufiger herzkrank werden, aber noch lange nicht, wie sich diese unausgewogene Situation entwickelt hat. Logisch wäre doch eigentlich, dass die natürliche Selektion Männer und Frauen gleich lang leben lässt. Bei den meisten Säugetieren ist die Lebenserwartung bei beiden Geschlechtern auch etwa gleich groß, was dem Menschen erneut eine Ausnahmestellung zuweist (wobei eine ähnliche Diskrepanz zwischen den Geschlechtern auch bei manchen Walen zu existieren scheint, was, wie wir noch sehen werden, nicht die einzige Besonderheit ist, die wir mit unseren ausladenden Cousins teilen). In vielerlei Hinsicht scheint es die Bestimmung der Männer zu sein, vor den Frauen das Zeitliche zu segnen, sei es durch Herzkrankheiten, Autounfälle oder Drogen- und Alkoholmissbrauch. Und ihr tatsächlicher Gesundheitszustand interessiert sie auch nicht wirklich: Männer mittleren Alters halten sich mit schöner Regelmäßigkeit für viel gesünder, als Frauen das etwa tun – obwohl es um ihre Gesundheit in Wahrheit oft viel schlechter bestellt ist. Und wir fehlgeleiteten Gesundheitsoptimisten sind auch äußerst nachlässig, wenn es darum geht, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Überraschenderweise gibt es aber eine Theorie, die erklärt, warum es unter evolutionären Gesichtspunkten durchaus sinnvoll ist, dass Männer früher sterben: die uns schon begegnete Theorie der antagonistischen Pleiotropie. Ihr zufolge werden Gene, die in jungen Jahren der Fortpflanzung dienlich sind, auch dann weitergegeben, wenn sie später die Verkürzung des Lebensalters bewirken. So hat sich bei Männern, die ungemein viel Energie aufwenden müssen, um sowohl Frauen für sich zu gewinnen, als auch innerhalb der männlichen Gemeinschaft zu bestehen, eine Reihe vonGenen herausgebildet, die zunächst Konkurrenzkampf und Fortpflanzung ermöglichen, später dann aber eher schaden. Ein
Weitere Kostenlose Bücher